DPA 4041-SP Test

Es soll Tontechniker geben, die im Studio riesengroße Röhrenmikrofone aufbauen und dann heimlich irgendwo im toten Winkel des Poppschutzes und im Dickicht der Spinne ein DPA, wie das 4041-SP, einschmuggeln. Entdeckt es der Sänger trotzdem, heißt es kurz und verlegen “Das kleine Ding macht es halt einfacher beim Talkback und so …” In Wirklichkeit nimmt das unscheinbare DPA dann aber die Vocals auf, während der majestätische Riesenbrocken lediglich die Aufgabe hat, dem Sänger das Gefühl zu geben, angemessen mikrofoniert zu sein und eine schlechte Performance wegen eines “Untermikrofonierungstraumas” zu vermeiden. Das ist ähnlich wie die Wände aus leeren Marshall-Boxen und einem mikrofonierten AC-30 hinter der Bühne, wie es von so mancher Rockband angeblich praktiziert wird.

DPA_4041_SP_016FIN

Understatement hat aber immer den Vorteil, zum späteren Zeitpunkt mit den eigentlichen Werten auftrumpfen zu können. Unter Tontechnikern ist hinlänglich bekannt, dass die Dänen Mikrofone bauen, die mit typisch skandinavischer Reduziertheit, aber grandioser Qualität bestechen. Neben den bekannteren Lavaliermikros, Kleinmembran-Nieren und vor allem -Kugeln gibt es von DPA tatsächlich auch Großmembran-Kondensatoren, die so ganz und gar nicht danach aussehen wollen. Die sonst übliche seitliche Haupt-Aufsprechrichtung wird bei den Mikros der 4041-Baureihe zugunsten einer Besprechung wie bei fast allen Kleinmembranern ignoriert, für einen ausladenden Korpus sah man offenbar auch keinen Anlass. Das 4041 ist vielleicht der bekannteste Großmembran-Druckempfänger in Kondensatortechnik – eine höchst seltene Gattung, besonders für die Aufnahme von Gesang. Doch scheinen sich unsere Nachbarn aus dem Norden wie immer ihrer Sache sicher zu sein. Ist das unprätentiöse DPA seinen Preis von dreieinhalbtausend Euro (nein, nicht Dänische Kronen, Euro!) wert?

Details

Die Geschichte DPAs ist eng mit der von Brüel & Kjær verknüpft

Dänemark ist vielleicht nicht der industrielle Nabel des Universums, doch wären wir Audioschaffende ohne das Land mit der ältesten Nationalflagge der Welt und den leckeren Hotdogs um ein paar hervorragende Werkzeuge ärmer. Neben TC Electronic sind es DAD und eben DPA, die stolz ein Kürzel für ihre Nationalität in der Firmenbezeichnung tragen. DAD steht für “Digital Audio Denmark”, DPA für “Danish Pro Audio”. Im Gegensatz zu Christiania-Fahrrädern, die längst nicht mehr im Kopenhagener “Freistaat Christiania” gefertigt werden, kommen DPA-Mikrofone nach wie vor aus dem namensstiftenden und nicht gerade als Niedriglohnland bekannten Königreich. Die Geschichte DPAs ist eng mit der von Brüel & Kjær verknüpft. B&K sind als Hersteller von Audio-Testequipment seit Jahrzehnten weltweit bekannt. Für DPA fertigen sie die hochwertigen Kapseln, was nicht verheimlicht wird: Der Firmenname ist auch an der im 4041 verbauten 1”-MMC4041-Kapsel zu lesen. Dass Kapsel und Mikrofonverstärker aus unterschiedlichen Häusern stammen, ist übrigens nichts Ungewöhnliches. In verschiedenen preiswerten Mikrofonen werden identische Kapseln aus chinesischen Fabriken verbaut, die edlen amerikanischen Josephson-C617-Mikrofone werden geschmückt von Kapseln aus dem ostdeutschen Gefell.

Ein Blick auf den Mikrofonkopf verrät die enge Verbindung zu Brüel & Kjær.
Ein Blick auf den Mikrofonkopf verrät die enge Verbindung zu Brüel & Kjær.

Ein omnidirektionales Mikrofon für Gesang?

Das 4041-SP ist ein Großmembran-Druckempfänger und hat dementsprechend die Richtcharakteristik Kugel. Das ist für ein Mikrofon, das explizit auch für den Einsatz mit Gesang vorgeschlagen wird, äußerst ungewöhnlich. Wer jedoch glaubt, dadurch einen zwangsweise sehr räumlichen Sound zu erhalten, der irrt. Einmal ist es recht übersteuerungsfest und außerdem kann man nahe heran, ohne befürchten zu müssen, dass das Signal stark überbasst wird: Den Nahbesprechungseffekt gibt es bei “echten” Kugeln (mit Druckempfängern) nämlich prinzipbedingt nicht.
Die bei vielen kleinmembranigen Kugeln angestrebte Linearität weist das 4041 bewusst nicht auf, so gibt es beispielsweise einen kleinen 8kHz-Boost mit maximal 6 dB, was die deutliche Vocal-Ausrichtung unterstreicht. Das sonst jedoch schnurgerade Spektrum hat das unscheinbare Röhrchen aber von den kleinen DPA-Kugeln geerbt. 20 Hz bis 20 kHz können mühelos eingehalten werden, das offenbar nicht diffusfeldentzerrte Mikrofon wird erst ab 10 kHz deutlich richtend. Akustische EQs in Form von Bällen, verschiedenen Gittern und dem “Nose Cone”, wie sie bei DPAs Kleinmembranen verwendet werden können, werden für das Großmembranmikrofon leider nicht angeboten.

Fotostrecke: 5 Bilder Mikrofongehäuse und Membran sind aus rostfreiem Stahl gefertigt.

Die Buchstaben im Produktkürzel verraten mehr Details

Das P als letzter Buchstabe der Mikrofonbezeichnung steht übrigens für den MMP4000-SP-Verstärker, der mit 48V-Phantomspeisung betrieben werden muss. Ob das auch anders geht? Klar, denn neben dieser am häufigsten verwendeten Speisetechnik bietet DPA auch eine 130-Volt-Speisung an. Dafür muss dann zum Beispiel der Preamp HMA5000 aus gleichem Hause verwendet werden oder ein anderer, der diese Speisung anbietet, wie der Grace m201. Das S im Produktkürzel wiederum steht für “Solid State”, was andeutet, dass auch das anders geht: “T” stünde für Tube. Das Schöne ist, dass sich die Mikrofonverstärker in Gestalt der schwarzen Tuben auch tauschen lassen. DPA ist nämlich nicht erst seit der kürzlich erfolgten Einführung der “Reference Standard”-Serie modular. Zumindest in kleinem Rahmen geht das mit den Großmembranen schon eine ganze Weile.

Ungewöhnlich: Die 24 mm Membran und die Kapselhülle sind beide aus Edelstahl gefertigt.
Ungewöhnlich: Die 24 mm Membran und die Kapselhülle sind beide aus Edelstahl gefertigt.

Hohe Empfindlichkeit für sensible Signale

Satte 70 Millivolt pro Pascal schiebt das 4041-SP durch das Kabel, ich habe schon Mikrofone erlebt, die nur ein Prozent dieser Empfindlichkeit aufweisen! Allerdings sagt eine solch nackte Zahl nicht unbedingt übermäßig viel über die Qualität eines Mikrofons aus. Schalten, einstellen und regeln lässt sich am großmembranigen Dänen nämlich nichts. Es ist eben “einfach nur” eine Röhre aus Metall, die vorne eine luftdruckempfindliche Membran hat und hinten einen XLR-Stecker.
Eine Spinne wird zum 4041 nicht geliefert, schließlich ist die Körperschallempfindlichkeit von Druckempfängern sehr niedrig. Wer dennoch möchte, schafft die UA0897-Spinne an, im Lieferumfang befindet sich der Mikrofonhalter UA0961.

Praxis

Der Sound ist für eine Überraschung gut

“Was? Ist das echt das Mikrofon hier, das wir gerade hören?” Diese Frage habe ich bei der Arbeit mit dem DPA 4041-SP mehrfach vernommen und stumm mit einem Nicken und einem grinsenden Gesichtsausdruck beantwortet. Wer glaubt, einen “hygienischen”, verhaltenen und emotionslosen Sound zu erhalten, wie ihn die ultralinearen Kleinmembran-Kugeln übermitteln, die für die Aufnahme von Opernsängern gerne benutzt werden, der ist gehörig in die falsche Richtung marschiert. Durch die Anhebung der oberen Präsenzen unterstützt das Mikrofon einen leichten Charakter, der eigentlich jede Stimme unterstützt, ohne zu beißen. Gleichzeitig zeigen sich aber alleine am Frequenzgang die Vorteile von Druckempfängern. Unwellige und sehr weit nach oben reichende Höhen helfen, das Mikrofon transparent und schnell zu machen, der Bassbereich ist trocken, aufgeräumt, “kurz” und ohne den Eindruck, dort würde etwas resonieren.

MicTest_OpenEnd_335FIN

Aufgrund des Empfängerprinzips ist die Brüel&Kjær-Kapsel angenehm poppunempfindlich; das charakteristische Gitter ist zwar nett anzusehen, doch werden bei Großmembranern aus Mündern fliegende Flüssigkeiten üblicherweise durch feinere Gaze ferngehalten. Die Verwendung eines Poppschutzes sollte also dennoch Pflicht sein. Der nicht vorhandene Nahbesprechungseffekt macht das 4041-SP zu einem hervorragenden Werkzeug im absoluten Nahbereich. Brüllen darf der Vokalist selbst dann wie am Spieß, denn das dänische Stäbchen ist wirklich übersteuerungsfest.

Audio Samples
0:00
female, 10 cm female, 30 cm female, 50 cm Bahar Kizil

Enorme Natürlichkeit im Bassbereich

Bei der männlichen Stimme macht sich besonders bemerkbar, welche Vorzüge der tiefe, klare Bass des Mikrofons hat. Die Brustraumresonanzen (bei unserem Testsänger oft besonders gut kurz vor dem Abreißen des Tons zu hören) werden mit einer enormen Natürlichkeit übertragen. Von “Dröhnen” ist aufgrund der Linearität und des nicht vorhandenen Nahbesprechungseffekts nichts zu bemerken.

Audio Samples
0:00
male, 10 cm male, 30 cm

Eine gute akustische Umgebung ist empfehlenswert

Bei DE-Kugeln ist natürlich interessant, wie Signale jenseits der 0° klingen. Das 4041 reagiert so, wie man es erwarten kann und auch von Kleinmembran-Kugeln kennt: Konstruktionsbedingt gibt es zu den hohen Frequenzen hin eine Richtwirkung. Allerdings hat man nicht den Eindruck, dass es aufgrund der größeren Kapsel wesentlich stärker ist als bei Kleinmembranern. Dennoch: Wird ein DPA 4041 verwendet, sollte man schon über einen ordentlichen Raum verfügen. Zwar gilt das generell, doch ein Druckempfänger stellt definitiv höhere Ansprüche.

Audio Samples
0:00
Mikrofonwinkel 0° Mikrofonwinkel 45° Mikrofonwinkel 90° Mikrofonwinkel 135° Mikrofonwinkel 180°

Der Einsatz nur mit Gesang würde dem Mikrofon nicht gerecht

“DPA 4041 is the ultimate vocal microphone” sagt DPA selbst. So schnell kann es mit Understatement dahin sein, denn das klingt eher nach peinlicher Selbstbeweihräucherung. Was kennzeichnet denn bitte ein “ultimatives Gesangsmikrofon”? Hat das nicht neben der technischen Qualität auch etwas mit (Musik-)Geschmack und Einsatzzweck zu tun? Nun ja, ich gehe davon aus, dass dieser Spruch in der Produktbroschüre auf dem Mist eines Marketingfuzzis gewachsen ist und nicht die Geisteshaltung der Ingenieure widerspiegelt. Die Ausrichtung auf Gesang sollte natürlich niemanden daran hindern, das 4041 fröhlich vor diverse Instrumente zu stellen: Akustikgitarre, aufgrund der Übersteuerungsfestigkeit auch Bassdrum außen, Blech und Amps … wirklich schlecht geeignet wäre das DPA nur dort, wo auch im mittleren und unteren Frequenzbereich eine hohe Richtwirkung vonnöten ist. Und im Zweierpack als Drums-Overhead, AB-Hauptmikrofonsystem oder gar als Raummikrofon macht so ein Wandler bestimmt auch keine schlechte Figur. Er ist zwar nicht diffusfeldentzerrt, doch die technischen Werte ermöglichen eine problemlose Anhebung des Air-Bands. Außerdem wird der kleine Boost-Bereich für viele Anwendungen hoch genug angesetzt sein. Also: Wer sich ein DPA 4041-SP anschafft, der kauft nicht einfach nur ein Gesangsmikrofon.

Fazit

Das Vorhaben, einen Druckempfänger als hervorragend geeignetes, charaktervolles Gesangsmikro etablieren zu wollen, könnte man problemlos als Wahnwitz deklarieren. Die “Quadratur der Kugel” ist DPA aber definitiv gelungen. Das 4041-SP zeigt, dass man nicht immer dumpf in ausgetretenen Pfaden schreiten muss, denn das Mikrofon ist aufgrund einer Vielzahl von Parametern eine Bereicherung für jeden Mikrofonpark. Zudem ist es auch als Instrumenten- oder (im Doppelpack) als AB-Hauptmikrofon eine Investition, die man sein Tontechnikerleben lang nicht bereuen wird. Das ist auch gut so, denn immerhin sind runde 3500 Euro wirklich kein Pappenstiel. Ich glaube zwar nicht, dass das DPA 4041-SP als alleiniger Großmembran-Kondenser alle üblichen Vokal-Anforderungen im Studiobetrieb abdecken kann, aber bevor für diesen Zweck ein zweiter oder dritter “normaler” Druckgradientenempfänger angeschafft wird, sollte man den Dänen definitiv in Betracht ziehen!

Pro
  • Auflösung, Empfindlichkeit
  • Frequenzgang
  • Flexibilität
  • Transparenz
  • Rauscharmut
  • Verarbeitung
  • Verstärker tauschbar (130V-Transistor, Röhre)
Contra
  • hoher Preis
DPA_4041_SP_011FIN
Technische Spezifikationen
  • Membrangröße: groß (1”)
  • Empfängerprinzip: Druckempfänger
  • Richtcharakteristik:Kugel
  • Wandlerprinzip: Kondensator (nicht vorpolarisiert)
  • Betriebsspannung: 48V Phantomspeisung (auch 130V-Verstärker erhältlich)
  • Frequenzgang: 20 Hz – 20 kHz (+/- 2 %, Bost bei ca. 8 kHz nicht berücksichtigt))
  • Übertragungsfaktor: 70 mV/Pa
  • THD+N: 8 dB(A-bewertet)
  • maximaler Schalldruckpegel: 134 dB SPL (1% THD)
  • Ausgang: XLR male
  • Preis: € 3927,-(UVP)
Unser Fazit:
5 / 5
Pro
  • Auflösung, Empfindlichkeit
  • Frequenzgang
  • Flexibilität
  • Transparenz
  • Rauscharmut
  • Verarbeitung
  • Verstärker tauschbar (130V-Transistor, Röhre)
Contra
  • hoher Preis
Artikelbild
DPA 4041-SP Test
Für 4.799,00€ bei
Hot or Not
?
DPA_4041_SP_016FIN Bild

Wie heiß findest Du dieses Produkt?

Kommentieren
Profilbild von Marek

Marek sagt:

#1 - 13.07.2015 um 14:41 Uhr

0

Andre Mikros im Test klingen vielleicht spannender aber das hier ist so natürlich wie überhaupt geht. Leider echt gans schön teuer.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Bonedo YouTube
  • iZotope Ozone 12 Bass Control Demo (no talking)
  • LD Systems ICOA Pro Series - All you need to know!
  • Watch THIS if you use analog gear! Everything you need to know about the Freqport FreqInOut FO1