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Neural DSP Quad Cortex Test

Die Meldung, dass sich mit dem Neural DSP Quad Cortex ein neuer Big-Player im Modeling-Amp-Geschäft aufmacht, den Markt aufzumischen, machte Anfang 2020 in Gitarrenkreisen die Runde, nachdem ein erstes Video auf YouTube aufgetaucht war. Wer mit Plug-Ins und Amp Modeling-Software nichts am Hut hat, dem wird der Name Neural DSP erst einmal nichts sagen. Aber die finnischen Spezialisten haben sich in diesem Genre bereits einen sehr guten Namen mit einigen Amp Plug-Ins erarbeitet, die auch in unseren Tests für sehr gut befunden wurden.

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Mit dem Quad Cortex wagt man nun den Schritt von der virtuellen in die reale Welt und überträgt die Expertise aus der digitalen Klangerzeugung mit Computersoftware in ein Hardware-Paket, das dem heutigen Stand der Technik angepasst ist: 2 GHz Quad Core Sharc Prozessor, hochauflösender 7″ Touch Screen, 11 Kombi-Fußschalter mit Drehreglerfunktion, Neural Capture-Funktion zur Analyse und digitalen Nachbildung von Röhrenamps und vieles mehr. Das Ganze in einem kompakten und solide verarbeiteten Gehäuse. Preislich liegt das Quad Cortex mit runden 1600 Euro in der Oberklasse der Modeling-Gerätschaften und in etwa auf einer Linie mit dem Line 6 Helix (1299 Euro) oder dem Kemper Profiler Stage (1595 Euro). Was unser Neuling alles zu bieten hat und wie er klingt, erfahrt ihr in diesem Testbericht.

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Details

Gehäuse/Optik

Das Quad Cortex kommt im Floorboard-Format und in einem schnörkellosen modernen Design, dessen Zentrale das 7″ Multi-Touch Display bildet. Das Gehäuse aus eloxiertem Aluminium fällt mit den Maßen 290 x 191 x 48 mm recht kompakt aus und liegt auch mit einem Gewicht von 1,95 kg noch im moderaten Bereich – es passt auch mal locker in eine große Tasche des Gitarren-Bags. Neben dem Display als Zentrale zum Editieren gibt es auf der Oberseite noch den Volume-Regler links neben dem Display, darüber den Power-Schalter und 11 Fußschalter, und das wars – alles klar und übersichtlich. Parameter-Regler unter dem Display, wie man sie von vielen Modeling-Geräten kennt, gibt es keine. Klar, bei einem Touch-Display ist das eigentlich nicht nötig, aber diesbezüglich haben sich die Damen und Herren aus Finnland nicht lumpen lassen, denn die Fußschalter verfügen über eine integrierte Reglerfunktion. Man dreht also quasi an den Schaltern und findet dabei Regler vor, die auch gerastert sind, was das Einstellen erleichtert. Bis zu elf davon stehen so zum Einstellen zur Verfügung – sehr clever gelöst und es spart auch noch Platz. 

Fotostrecke: 4 Bilder Von der virtuellen in die reale Welt – mit dem Neural DSP Quad Cortex transferiert der finnische Hersteller seine PlugIn-Erfahrung in ein Hardware Paket.

Die acht Fußschalter unterhalb des Displays haben je nach Betriebsmodus unterschiedliche Funktionen und sind mit den Buchstaben A bis H gekennzeichnet. Jeder Schalter besitzt eine eigene LED zur Statusanzeige. Am rechten Rand warten ein weiterer Schalter zum Eintippen der Geschwindigkeit für tempobasierte Effekte und die beiden Up/Down-Schalter zum Wechseln der Bänke. Mehr gibt es erst einmal von der Optik her nicht zu vermelden. Das Quad Cortex macht einen sehr aufgeräumten Eindruck und auch an der Verarbeitung gibt es nichts auszusetzen, alles solide Bauteile und für den Einsatz im Bühnenbetrieb auf jeden Fall geeignet. Im Inneren werkelt ein 2 GHz Quad-Core Sharc-Prozessor und mit ihm hat unser Testkandidat auch einige PS unter der Haube. Laut Papierform ist das natürlich eine sehr gute Basis für satte Ampsounds und Effekte mit guter Ansprache und hoher Klangqualität. Bei vielen Geräten in der günstigeren Preisklasse hängt es oft an einem zu schwachen Prozessor, der die vielseitige Dynamik eines richtigen Amps nicht wirklich in sein digitales Modell übertragen und wiedergeben kann. In dieser Hinsicht ist der Quad Cortex recht muskulös aufgestellt.

Rückseite/Anschlüsse

Alle Anschlüsse sind auf der Rückseite angebracht. Los geht es mit zwei Eingangsbuchsen im Klinken/XLR-Kombiformat (Input 1, 2). Es folgen die Anschlüsse für die beiden internen Effektloops, je einmal Send und einmal Return. Hierüber werden externe Effektgeräte in die Signalkette des Quad Cortex integriert. Weil die Buchsen als 6,3 mm Stereoklinke ausgelegt sind, können sie auch mit Stereopedalen bestückt werden. Insgesamt gibt es vier Ausgänge, zwei im XLR-Format (Output 1, 2) und zwei mit 6,3 mm Klinkenbuchsen. Output 1/2 ist im Live-Betrieb für die Verkabelung zum Mischpult gedacht und an Output 3/4 kann man seinen Bühnenamp oder ein Full Range-Cab anschließen. Außerdem warten ein Anschluss für Kopfhörer und einer mit der Bezeichnung Capture Out, der zur Verbindung mit einem Amp oder Overdrive bei der Neural Capture Funktion benutzt wird. Dazu gleich mehr.

Fotostrecke: 5 Bilder Sämtliche Anschlussmöglichkeiten sind auf der Rückseite versammelt und davon gibt es einige.

MIDI kann unser Testkandidat natürlich auch, zur Parametersteuerung per MIDI stehen ein MIDI In und ein MIDI Out/Thru-Anschluss (5-pol) zur Verfügung. Beim Quad Cortex hat man auf ein integriertes Expression-Pedal verzichtet, aber selbstverständlich besteht die Möglichkeit, externe anzuschließen. Zwei davon können über die EXP 1- und EXP2-Anschlüsse (Stereoklinke) verbunden werden. Die mittlerweile obligatorische USB-Buchse darf selbstverständlich auch hier nicht fehlen. Über sie verbindet man das Quad Cortex mit einem Computer und nutzt es als Audio-Interface. Außerdem ist vorgesehen, das Quad Cortex auch über eine App am Computer editieren zu können. Zum Zeitpunkt des Tests war diese Funktion allerdings noch nicht verfügbar. Ganz rechts befindet sich schließlich noch der Anschluss für das mitgelieferte Netzteil.

Bedienung

Das Quad Cortex ist im Prinzip ein kleiner Computer mit Touchscreen und hat deshalb ein paar Möglichkeiten mehr als herkömmliche Modeling-Gerätschaften. Es ist WLAN-fähig, und zwar in der Form, dass man sich per Router ins Internet einwählen und Updates aufspielen kann. Ein zusätzlicher Computer ist dafür eigentlich nicht mehr notwendig. Zum Laden von zusätzlichen Presets und für Backups in der Cloud muss ein User-Account erstellt werden. Der Support von Neural DSP kann bei Bug-Reports auch direkt vom Quad Cortex aus angefunkt werden. Nicht schlecht!
Natürlich hat der Hersteller sich auch bei den Mitbewerbern umgeschaut, was sich beispielsweise bei der grafischen Oberfläche und der Bedienstruktur zeigt, die auf den ersten Blick stark an das Line 6 Helix erinnern.
Die Struktur des internen Speichers ist in Setlists geordnet, eine Setlist hat 32 Bänke mit je acht Speicherplätzen (A-H). Das macht dann 256 Speicherplätze pro Setlist, bis zu zehn Setlists können im Gerät gespeichert werden. Darüber hinaus lassen sich Presets auch über den Computer oder in der Cloud ablegen.

Fotostrecke: 3 Bilder Die Bedienung ist klar strukturiert und geht dank Touch-Screen auch einfach von der Hand.

Zum Bedienen während des Spielens gibt es die drei unterschiedliche Modi Preset, Stomp und Scene. Drückt man Tempo- und Down-Schalter gleichzeitig, kann der Modus gewechselt werden. Im Preset-Mode werden mit den Up/Down-Schaltern die Bänke durchgesteppt, die Speicherplätze werden mit den Schaltern A-H angewählt. Beim Stomp-Mode ist Pedalboard angesagt und man hat die Möglichkeit, mit den Schaltern A-H einzelne Effektmodule zu aktivieren/deaktivieren – alle frei zuweisbar. Im Scene-Mode werden unterschiedliche Einstellungen der aktuell aktivierten Effektmodule in vier verschiedenen Szenen gesichert und dann über die Schalter A-D aufgerufen. So ist man sehr flexibel in der Bedienung der einzelnen Presets und hat nicht nur starr abgespeicherte Sounds zur Verfügung, sondern kann immer direkt auf bestimmte Einstellungen Einfluss nehmen. Natürlich muss das entsprechend vorbereitet werden, womit wir zum Editieren am Gerät selbst kommen.

Editieren

Das Editieren über das Touch-Display ist sehr komfortabel. Im Display wird die Signalkette groß in vier Reihen dargestellt. Tippt man auf ein Effektmodul, erscheinen die Parameter des Moduls im Display und können verändert werden. Das funktioniert entweder direkt über das Touch-Display oder durch Drehen an den Schaltern A-H. Die vier Signalstränge sind so ausgerichtet, dass man immer zuerst den Eingang wählt, dann bis zu acht Effektmodule platzieren kann und auf der rechten Seite den Ausgang ansteuert. Alles bleibt dabei variabel. Theoretisch können bis zu vier Instrumente angeschlossen werden, wenn man als Eingänge die beiden Inputs und dazu die Return-Buchsen der beiden Einschleifwege benutzt. Die lassen sich dann auf vier unterschiedliche Ausgänge routen und jedem Instrument können bis zu acht Effektmodule zugeordnet werden – zumindest so viel, wie der Prozessor leisten kann. 

Fotostrecke: 5 Bilder Im Display werden die Reihenfolge der verwendeten Effekte und Amp-Module angezeigt.

Wer sich das Quad Cortex mit niemandem teilen möchte, kann natürlich auch mehr Module im Signalweg einbauen, indem zum Beispiel der Ausgang der Reihe 1 als Eingang für eine neue Reihe angelegt wird, sodass das Signal einfach über eine zweite Reihe fortgeführt wird. Außerdem gibt es die Möglichkeit, von einem Eingang ausgehend mehrere Signalwege anzusteuern, um zum Beispiel verschiedene Amp-Modelle zu benutzen. Vier Amps und Cabs sind möglich, alles natürlich abhängig von der Auslastung der CPU. Bei vier Marshall Amp Models mit Cabs und jeweils einem Ambience Reverb pro Signalstrang zeigt die CPU 55 % Last an – da ist wirklich ordentlich was unter der Haube. Die Darstellung der Signalkette in Symbolen ist sehr übersichtlich und man findet sich sehr schnell zurecht. Das Bedienkonzept ist wirklich ausgezeichnet.

Fotostrecke: 5 Bilder Die Auswahl an Effekten und Modeling-Modellen umfasst Amp, Cabinets, Compressor, Delay und Equalizer.

Ausstattung

Das Quad Cortex ist natürlich mit den üblichen Verdächtigen bestückt, also einer Menge an Effekten, Amp Models und Cab Simulationen. 52 virtuelle Gitarrenamps und 13 für Bass sind zum Zeitpunkt des Tests im Gerät integriert. Dabei handelt es sich um die Klassiker von Fender, Marshall, Vox, Hiwatt, etc. Bei den Cab-IRs sieht es ähnlich aus, von denen 39 an Bord sind. Dann kommen die Effekte und für die gibt es folgende Bereiche:

  • Guitar Overdrive (16 Models)
  • Bass Overdrive (4 Models)
  • Delay (4 Models)
  • Reverb (6 Models)
  • Compressor (5 Models)
  • Pitch (3 Models)
  • Modulation (8 Models)
  • Filter (3 Models)
  • EQ (4 Models)
  • Wah (3 Models)
  • Utility – Gate, etc. (4 Models)

Neural Capture

Das war aber noch nicht alles, denn es gibt außerdem einen Block, der sich Neural Capture nennt und mit dessen Hilfe externe Gerätschaften analysiert und quasi als digitaler Abdruck ins Gerät verpflanzt werden können. Im Prinzip ein ähnliches Konzept wie beim Kemper Profiler, mit dem man Amps und Cabs als sogenannte Profile im Gerät selbst ablegt. Beim Quad Cortex ist es laut Hersteller auch möglich, auf diese Weise Overdrive-Pedale zu digitalisieren. Es gibt bereits einige Amps und Overdrives im Gerät, aber das Ganze ist komplett offen und es werden mit Sicherheit interessante weitere von Usern und/oder auch professionellen Anbietern kommen, ähnlich wie beim Kemper Profiler. Klangliche Beispiele zum Thema Neural Capture gibt es gleich im Praxisteil.

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Praxis

Amp Models

Für den Praxisteil habe ich das Quad Cortex direkt an das Audio Interface (Universal Audio Apollo) angeschlossen und wir starten komplett rudimentär mit nackten Tatsachen, nämlich einem Amp-Modell, einem passenden Cab-Modell und einem dezenten Ambience-Reverb für einen leicht dreidimensionalen Klang. Die Neural Capture-Amps kommen später, hier erst einmal eine Auswahl unterschiedlicher Modelle aus der Amp-Sektion.

Audio Samples
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Amp Model: Deluxe Amp (Stratocaster) Amp Model: AC30 Top Boost (Stratocaster) Amp Model: Marshall Plexi (Stratocaster) Amp Model: Marshall Plexi – Max Gain & Anschlagsdynamik (Les Paul) Amp Model: Friedman 100 (Les Paul) Amp Model: EV101III Red (PRS Holcomb)

Das klingt sehr ordentlich und fühlt sich auch gut beim Spielen an. Auch ist das Reaktionsverhalten der Original-Amps sehr gut getroffen – der Plexi reagiert sehr authentisch auf den Anschlag und der Friedman löst erstklassig auf, auch bei hohen Zerrgraden. Man merkt, dass die Entwickler schon reichlich Zeit mit dem digitalen Amp-Modeling verbracht haben. Auch die Detailtreue zum Original ist bei den virtuellen Amps zu sehen und zu hören, zum Beispiel sind beim Friedman alle zusätzlichen Schalter mit entsprechender klanglicher Auswirkung vorhanden. Jetzt geht es mit den Amp-Modellen aus der Neural Capture Abteilung weiter. Das sind digitale Modelle, die vom Hersteller mit der Neural Capture Funktion erstellt wurden. Auch hier gibt es eine satte Auswahl an unterschiedlichen Amp-Modellen, die ebenfalls mit sehr gutem Sound und Spielgefühl punkten.

Audio Samples
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Neural Capture: Princeton (Esquire) Neural Capture: Bogna Fish (Melody Maker) Neural Capture: Rectifier MKIII (PRS Holcomb) Neural Capture: Diezel Herbert – Volume Poti Aktion (SG)

Die Lautsprecher in der Cab-Sektion lassen sich mit zwei virtuellen Mikrofonen abnehmen. Sechs Mikrofontypen stehen zur Auswahl, die Mikrofone selbst können in ihrer Position verändert werden, auch im Panorama. Alternativ dazu ist es auch möglich, eigene IRs zu laden. Die klanglichen Auswirkungen der Mikrofonposition hört ihr nun im nächsten Beispiel. Zuerst ein Mikrofon (SM57) mit unterschiedlicher Position (weit weg/seitlich – nah/seitlich – nah/mittig, nah/leicht aus der Mitte), dann das zweite Mikrofon (M160) hinzu. Der Sound der unterschiedlichen Mikrofonpositionen ist absolut authentisch.

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Amp Model: JCM 2203 – Mic Placement – unterschiedliche Einstellungen (SG)

Mit der sehr variablen Signalführung können natürlich auch zwei Amps miteinander kombiniert und nach Belieben im Panorama verteilt werden. Hier sind drei Beispiele dazu:

Audio Samples
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Dual British – Vox (L) und JTM (R) in Stereo (SG) Dual High Gain – Diezel (L) und Trem-O-Verb (R) in Stereo (Les Paul) Dual Amps & Cabs – Friedman und EVH mit je zwei 4×12 Cabs (Les Paul)
Die Sounds der Factory Amp Modelle und Neural Capture Amps sind sehr gut, transparent und dynamisch in der Ansprache.
Die Sounds der Factory Amp Modelle und Neural Capture Amps sind sehr gut, transparent und dynamisch in der Ansprache.

Effekte

Nach der recht trockenen Amp-Analyse geht es nun mit ein paar Effektsounds weiter. Das Quad Cortex hat die Standardpalette in guter Qualität im Angebot und mit dem starken Prozessor sowie der variablen Signalführungen lassen sich diverse Effekte parallel einsetzen – Wet Dry Wet ist auch mit zwei Ausgängen möglich -, und zwar das Direktsignal in der Mitte und die Effekte hart links und rechts im Panorama verteilt. Man kann sich hier von den Factory Presets sehr gut inspirieren lassen, denn es wird sehr kreativ und effektiv mit den Schaltmöglichkeiten gearbeitet. Hier sind ein paar Beispiele, basierend auf Presets, die leicht verändert wurden.

Audio Samples
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Egyptian Dream (Stratocaster) Powerslave (Les Paul) US TWN Vibrato (Stratocaster) Cinematic Shimmer (Les Paul Bariton) Major Strat Vibes (Stratocaster) Wet Dry Wet (Stratocaster)

Erstellen einer Neural Capture von einem Marshall Plexi

Jetzt geht es ans Eingemachte und wir testen die Möglichkeit, eine Neural Capture von einem echten Röhrenamp zu erstellen. Das Prinzip ist fast identisch mit dem Profiling von Kemper. Man schaltet das Quad Cortex zwischen Gitarre und Amp-Eingang und aus dem Mikrofon vor der Lautsprecherbox geht es zurück ins Quad Cortex. Hier ist die genaue Signalreihenfolge:
Gitarre > Quad Cortex Return IN > Quad Cortex Capture Out > Amp Input > Cab Cab Mikrofon > Quad Cortex Input 1
Dann wird beim Quad Cortex im Hauptmenü die Funktion “Create New Capture” angewählt und am Display wird man noch einmal Schritt für Schritt durch alle Verkabelungsschritte geführt. Deshalb ist ein Blick ins Handbuch eigentlich überflüssig – gut gemacht! Wenn alles klar und bestätigt ist, kann es losgehen: Die grüne Fläche drücken und die Testsignale werden an den Amp geschickt und analysiert. Das Ganze dauert ca. 4:30 Minuten. Anschließend kann man Amp- und Capture-Signal miteinander vergleichen und bei Bedarf als New Capture speichern. Ein Neural Capture hat immer die gleiche Parameterstruktur: Es gibt einen Gain-Regler, eine Dreibandklangregelung mit Bass, Middle und Treble und den Volume-Regler für die Gesamtlautstärke.
Und dieses Prozedere habe ich jetzt mit meinem Marshall Plexi gemacht. Der Amp läuft über eine Marshall 4×12 Box, die mit einem Neumann TLM 103 abgenommen wird. Von dort geht es in einen Neve Preamp (neutral eingestellt) und zurück in das Quad Cortex. Für einen zusätzlichen Vergleich habe ich mit diesem Setup außerdem ein Profil mit dem Kemper Profiler erstellt und dabei absolut nichts an Amp, Mikrofon und Preamp verändert, sondern einfach nur die Kabel umgesteckt. Die Eingangspegel waren allesamt relativ identisch, sodass wir hier einen neutralen und direkten Vergleich haben. Ihr hört zuerst Akkorde mit hartem, dann mit leichtem Anschlag. Danach wird das Volume an der Gitarre auf 7 zurückgedreht und es gibt noch ein Powerchord-Crescendo mit voller Gitarrenlautstärke.

Audio Samples
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Marshall Plexi & 4×12 Cab Original Marshall Plexi – Quad Cortex Neural Capture Marshall Plexi – Kemper Profiler

Die beiden digitalen Abbildungen klingen etwas dünner als das Original, wobei das Neural Capture im unteren Mittenbereich etwas schwächer ist. Das Kemper-Profil klingt für mein Empfinden in den oberen Frequenzen auch ein wenig wärmer. Aber generell lässt sich auch mit dem Quad Cortex der Geist eines Röhrenamps recht gut und unkompliziert einfangen.
Bei dieser Form der Neural Capture wurde die komplette Signalkette (Amp, Cab, Mikrofon) digital erstellt. Es besteht auch die Möglichkeit, den Amp einzeln zu analysieren, wofür der Verstärker aber einen DI-Ausgang haben muss. Den Speaker-Output sollte man auf keinen Fall zum Erstellen einer Neural Capture benutzen. Was auch noch digital eingefangen werden kann, ist der Sound eines Overdrive- oder Distortion-Pedals, und das wird jetzt ebenfalls ausprobiert. Dafür darf der Klon KTR antreten, wobei der Aufbau hier wesentlich überschaubarer ist. Man sollte das Pedal zuerst vor das Quad Cortex schalten, die gewünschte Einstellung am Pedal vornehmen und dann zur Analyse neu verkabeln:
Gitarre > Quad Cortex Return 1 > Quad Cortex Capture Out > Overdrive In >Overdrive Out > Quad Cortex (Input 1)
Das Ergebnis kann sich hören lassen! Klar, der Klon wird nicht 1:1 geklont, aber der Charakter ist auf jeden Fall getroffen und ich kann mir vorstellen, das dies mit Sicherheit sehr häufig genutzt wird. Denn so kann man seine Lieblings-Overdrives zuhause lassen und mit ganz leichtem Gepäck reisen. Einige klangliche Abstriche muss man machen, aber das muss jeder selbst entscheiden.

Audio Samples
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Klon KTR – Original (Les Paul) Klon KTR – Quad Cortex Neural Capture (Les Paul)

Zum Abschluss hört ihr das Quad Cortex noch mit mehreren Sounds im Bandkontext.

Audio Samples
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Quad Cortex im Bandkontext (Stratocaster)

Kritik – Alternativen – Erbsenzählerei

Die Frage stand natürlich seit der Vorstellung des Quad Cortex im Raum: Ist das die neue Wunderwaffe, der Alleskönner, und die Mitbewerber können einpacken? Wie meist lässt sich diese Frage pauschal nicht beantworten. Sehr weit vorne ist zweifellos die Bedienung über das Touch- Display, denn meines Erachtens ist hier kein Editor oder eine Tablet-App mehr nötig, denn das Display ist mit 7″ nur geringfügig kleiner als ein iPad Mini (7,9″). Auf ihm lässt sich wirklich einiges an- und fast alles einstellen und vor allem darstellen. Und gegenüber den großen Floorboard-Gerätschaften von Line 6 (Helix) oder Kemper (Stage) punktet unser Testkandidat mit kompakten Maßen. Der Sound der Amp-Modelle ist sehr gut und von besser oder schlechter im Vergleich zur Konkurrenz kann man nicht sprechen: Die Modelle und die Factory Captures klingen sehr transparent und haben eine erstklassige Ansprache. Unterm Mikroskop betrachtet haben mir die High-Gain-Modelle beim Quad Cortex besser gefallen als die der klassischen Amps. Viele virtuelle Amps klingen beim Quad Cortex in den Höhen etwas härter, wenn man sie ohne zusätzliche Effekte oder EQ-Bearbeitung anspielt. In dieser Hinsicht bringt der Kemper Profiler im direkten Vergleich gerade bei den klassischen Amps meines Erachtens ein etwas satteres Spielgefühl und einen wärmeren Breakup-Ton. Aber da muss ich auch zugeben, dass ich den Profiler seit Jahren im Einsatz habe und meine Lieblingsprofile gefunden und die quasi eingespielt habe. Das ist dann wie ein paar gut eingelaufene Schuhe: Wenn etwas neues kommt, fühlt es sich immer anders an und benötigt eine gewisse Zeit zum Eingewöhnen. Was die Höhen anbetrifft, gibt es natürlich mit einem zusätzlichen EQ genügend Möglichkeiten, die Frequenzen etwas zu verdrehen. Was im Vergleich zu den Mitbewerbern beim Quad Cortex ein wenig abfällt, ist die Auswahl und Qualität der Effekte. Da ist meines Erachtens noch Luft nach oben. Es fehlt ein Harmonizer und auch ein paar spezielle Hall- oder Echo-Algorithmen wären klasse. Da gibt es bei Line 6 und auch Kemper eine wesentlich größere Auswahl. Auch ist die Klangqualität der Effekte noch nicht auf dem Level der Amp-Modelle. So klingt der Pitch Shifter zum Beispiel etwas klinisch und harsch, wenn man höhere Intervalle einstellt und den Effektlevel etwas weiter aufdreht. Das ist zwar Nörgeln auf sehr hohem Niveau, aber es geht ja um Erbsenzählerei und die Frage, worin sich das Quad Cortex von den Mitbewerbern im ähnlichen Preissegment unterscheidet. Wer aber jetzt keinen Wert auf abgefahrene, durch den Wolf gedrehte, gefilterte Pitch-Delays legt, der kommt mit den Effektsounds auf jeden Fall locker zurecht.

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Fazit

Das Neural DSP Quad Cortex hat sich aus dem Stand von Null in die oberste Riege der Amp-Modeler katapultiert. Es kommt in einem sehr kompakten und absolut roadtauglichem Aluminiumgehäuse mit einem 7″ Touch-Display, mit dessen Hilfe und den Fußschaltern mit Reglerfunktion es sich ausgezeichnet bedienen und editieren lässt. Die Sounds der Factory Amp Modelle und Neural Capture Amps sind sehr gut, transparent und dynamisch in der Ansprache, und mit der Neural Capture-Funktion kann der User zudem eigene Amps und Overdrives in digitaler Form erstellen. Der Prozessor hat ordentlich Kraft und lässt sich auch nicht so schnell aus der Ruhe bringen, dazu bietet er mit einer sehr variablen Signalführung eine Menge Möglichkeiten, diverse Amp-Modelle und Effekte gleichzeitig einzusetzen. Bei den Effekten ist das Quad Cortex im Vergleich zu den Mitbewerbern etwas sparsamer bestückt, auch der Sound könnte (verglichen mit Geräten der Oberklasse) noch etwas besser sein. Was hier zu einem kleinen Abzug führt, gilt nicht für Ampsound und Bedienkonzept, bei denen es voll punkten kann. Aber das macht unterm Strich immer noch fünf Sterne, vor allem, weil das Gerät ja erst am Anfang seiner Laufbahn steht und man mit diversen Updates und Verbesserungen rechnen kann.

Unser Fazit:
5 / 5
Pro
  • moderne, aufgeräumte Optik
  • solides Aluminiumgehäuse
  • leistungsstarker Prozessor
  • kompakte Maße
  • intuitive, logische Bedienung
  • Editieren über das Touch-Display
  • Fußschalter mit Reglerfunktion
  • komplexe und variable Signalführung
  • authentischer Sound der Amp-Modelle
  • hohe Transparenz und dynamische Ansprache
  • Neural Capture-Funktion zum Digitalisieren von Amps und Overdrives
  • integriertes WiFi-Modul zum direkten Download von Firmware-Updates
Contra
  • keins
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Neural DSP Quad Cortex Test
Für 1.585,00€ bei
Das Neural DSP Quad Cortex überzeugt mit authentischem Sound, moderner Optik, intuitiver Bedienung und einem leistungsstarken Prozessor.
Das Neural DSP Quad Cortex überzeugt mit authentischem Sound, moderner Optik, intuitiver Bedienung und einem leistungsstarken Prozessor.

Technische Spezifikationen

  • Hersteller: Neural DSP
  • Modell: Quad Cortex
  • Typ: Multi-Effektgerät mit Amp-Modeling
  • Regler: Volume
  • Fußschalter: 11 frei belegbare Kombi-Fußschalter mit Drehregler-Funktion
  • Anschlüsse: Input 1 & 2 (XLR/Klinke Kombi), FX Loop 1 (Send, Return), FX Loop 2 (Send, Return), Output 1&2 (XLR), Output 3&4 (Klinke), Phones, Expression 1 & 2, MIDI In & Thru/Out, USB
  • Spannung: 12V DC (mitgelieferter Netzadapter)
  • Prozessor: 2 GHz Quad Core Sharc Prozessor
  • Display: 7“ Multi Touch Display
  • Speicher: 10 Setlists mit je 256 Presets
  • Maße: 290 x 191 x 48 mm (B x T x H)
  • Gewicht: 1,95 kg
  • Verkaufspreis: 1.599,00 Euro (April 2021)
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Profilbild von Rainer

Rainer sagt:

#1 - 04.05.2021 um 14:35 Uhr

0

... sehr ehrliches und informatives Review, finde ich.
Über Geschmack kann man sich streiten.
Aber nach meiner Meinung ... und im Kontext zu dem monatelangen Influencer-Marketing für diese immer noch nicht erhältliche Kiste .... sind die Sounds nach meiner Meinung keine Revolution..... harsch .... das ist der überwiegende Höreindruck für mich.Überhaupt kommt es langsam in Mode, neue Produkte fast ein Jahr vorher anzukündigen, zu bewerben und künstlich zu verknappen .... und dann den Kunden z.T. noch zu Vorauszahlungen zu bewegen.Das schafft bei mir jedenfalls keinen Kaufanreiz.By the way ... wenn der Sound einzigartig ist, dann verzichte ich auch gerne auf einen Touchscreen ... und nicht anders herum.Dann lieber Kemper ... für mich der Gold-Standard im digitalen Amp-Segment.

    Profilbild von Oliver Schroeder

    Oliver Schroeder sagt:

    #1.1 - 30.08.2021 um 12:27 Uhr

    0

    Hallo Rainer, nachdem ich jetzt 2 Wochen mit dem QC arbeite, kann ich Entwarnung geben. Der QC klingt mit eigenen Captures genau so gut, wenn nicht noch näher am Original, wie der Kemper. Man muss ihn selber füttern und dann urteilen. Die Presets sind leider nur die halbe Wahrheit. Meine Plexis aus den 60ern klingen absolut fantastisch aus dem QC. Ich empfehle dir es mal auszutesten.

Profilbild von Manfred

Manfred sagt:

#2 - 08.05.2021 um 05:26 Uhr

0

Ganz ehrlich ?!
Was bringt es ein Produkt zu bewerten was man sowieso nicht kaufen kann.
Seit der NAM 2020 ist das Einzige was wie geschmiert läuft die Marketing-Maschine dieser Firma. Egal wie gut das Produkt zu sein scheint, es ist nicht verifizierbar. Ich kenne Leute die seit gut eine Jahr ein preorder bezahlt haben und immernoch auf die Auslieferung warten. Wie es da mit Service und Garantie läuft möchte ich garnicht wissen. Ich kann nur sagen Finger weg bei Firmen die ihre Lieferversprechen nicht halten können.

Profilbild von Frank

Frank sagt:

#3 - 09.05.2021 um 16:50 Uhr

0

Endlich hat ein Hersteller den Anspruch der Musiker erkannt und ein kleines Gerät mit Topsounds erschaffen.Das Display ist schön und sollte auch auf einem neuen Kemper sein.Jetzt wäre es doch noch schön ein Minikemper in Form von Line 6 Pod go zu bekomnen. Das mit den Lieferschwierigkeiten ist wirklich grauenvoll. Die Größe des Quad Cortex überzeugt mich und ich bin froh das es auch im Highendmodeling endlich Alternativen gibt.Der Test war auch gut geschrieben und ich freue mich bald das Gerät zu testen.

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