Dieser Workshop zeigt, wie Herbie Hancock, Stevie Wonder und Michael Jackson das Hohner Clavinet zu einer Legende werden ließen.
Unter den unzähligen Vintage-Keyboards kommt man als Keyboarder nicht am Hohner Clavinet vorbei. Das ist jedenfalls meine persönliche Meinung: Als ich das erste Mal Billie Prestons „Outa-Space“ hörte, wurde mir klar, dass ich unbedingt ein Clavinet haben musste. Etwas faszinierte mich an diesem Sound – kein anderes Keyboard kam an den perkussiven und zickigen Charakter des Clavinets heran.
- Hohner Clavinet
- Entwicklungsgeschichte
- Klangerzeugung und Pickup-Schaltung
- 1. Muted Guitar à la Michael Jackson
- 2. Die Gitarre unter den Keyboards: Lachy Doley und Tony Beliveau
- 3. Stevie Wonder’s Superstition: Unverkennbarer Klassiker
- 4. Wah-Gitarre à la Herbie Hancock, Billie Preston oder Incognito
- 5. Besonderer Sound: Strumming mit offenem Mute-Panel
- Custom-Clavinet von Luke Jones
Hohner Clavinet
Für viele Musiker ist speziell das Clavinet D6 ein Kultinstrument, das sich in der Funk- und Soulmusik verewigt hat und auf unzähligen Aufnahmen aus den 70er Jahren zu hören ist. Auf eine ganz bestimmte Art gespielt, verleiht es uns Keyboardern einen Gitarren-ähnlichen Sound. Und dennoch kann das Clavinet so viel mehr, als die Meisten wissen. Deshalb geht es in diesem Artikel um besondere Klänge, die es auf weltberühmte Aufnahmen geschafft haben und unverkennbar mit einem Clavinet eingespielt wurden.
Entwicklungsgeschichte
Erfunden wurde das Clavinet 1964 von Ernst Zacharias, welcher über Jahrzehnte hinweg mit seinem Erfindergeist Instrumente und Patente entwickelte. Die Clavinet-Produktion begann in den späten 1960er Jahren und wurde bis in die 1980er Jahre von Hohner aus Trossingen produziert. Wie bei den meisten von Zacharias’ Erfindungen, handelt es sich auch beim Clavinet um eine Variante eines Barockinstruments: des Clavichords. So gesehen ist das Clavinet ein elektroakustisches Mini-Cembalo mit einem Manual. Für den Bereich der klassischen Musik weniger geeignet lehnten klassische Musiker das Clavinet bereits damals kategorisch ab. So wurde es, ähnlich wie die Hammond-Orgel, entgegen seiner ursprünglichen Intention für die Popmusik entdeckt. Unzählige Künstler lernten den eigenartigen Klang des Clavinets zu schätzen und nutzen es in ihrer Musik auf eine ganz besondere Weise. Weltbekannte Musiker Stevie Wonder, Billie Preston, die Beatles, Earth Wind & Fire und Michael Jackson sind prominente Beispiele für den genialen Einsatz dieses Instruments.
Klangerzeugung und Pickup-Schaltung
Das Geheimnis des Clavinet-Sounds liegt direkt unterhalb der Tastatur: Diagonal gespannte Saiten werden mit Gummischlegeln angestoßen und in Schwingung versetzt. Unter und oberhalb der Saiten sitzen an zwei verschiedenen Stellen, wie bei der E-Gitarre, die beiden elektromagnetischen Pickups A (Rhythm Pickup) und B (Bridge Pickup). Diese werden mit den A/B und C/D Kippschaltern auf verschiedene Arten geschaltet. Steht der C/D-Kippschalter auf C, dann hört man jeweils einen der beiden Pickups (A oder B). Steht der Kippschalter hingegen auf D, dann werden die Pickups parallelgeschaltet, wahlweise in Phase (A) oder gegenphasig (B). Das führt zu Auslöschungen von Frequenzen und verändert den Klang stark. Am einfachsten hilft man sich hier mit einer Eselsbrücke: D steht für Dual-Pickups und mit C werden die Pickups getrennt voneinander gehört. Die vier Schalter links daneben (Brilliant, Treble, Medium und Soft) wirken jeweils als EQ-Einstellungen mit festen Frequenzbereichen.
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1. Muted Guitar à la Michael Jackson
Mit dem mechanischen Mute-Regler legt sich ein Dämpfer – ähnlich dem Palm-Muting bei der Gitarre – auf die Saiten wodurch sie sehr kurz und perkussiv erklingen. Das ermöglicht Keyboardern z. B. das Spielen von gitarrentypischen Single-Note-Lines. Ein berühmtes Beispiel dafür ist Michael Jackson’s „Don’t Stop ‘Til You Get Enough“ aus dem Jahre 1979. Besonders deutlich hört man das Clavinet in der letzten Minute. Schiebt man den Mute-Regler bis ans Ende, dann entsteht sogar ein Nebeneffekt: Der Ton wird gegen Ende des Regelweges höher, da der Dämpfer durch die recht starke Feder feste auf die Saiten drückt und sie damit verstimmt. Das lässt sich jedoch vermeiden, indem man den Regler nicht ganz aufschiebt.
Im ersten Video mache ich von dem Mute-Regler Gebrauch und schiebe ihn langsam zu. Dann kommt ein Delay (Electro Harmonix Deluxe Memory Boy) zum Einsatz. Dieses “kurbelt” die gespielte Phrase mit einem Achtel-Delay zu einem U2-artigen Rhythmusgetriebe an. Besonders schön ist die Chorus-Modulation des Memory Boys, denn dieser schiebt das Effektsignal in seiner Tonhöhe leicht hin und her und lässt es damit etwas lebendiger und breiter klingen.
2. Die Gitarre unter den Keyboards: Lachy Doley und Tony Beliveau
Durch die verwendete Elektronik hat das Clavinet einen großen Vorteil gegenüber seinem akustischen „Gegenpart“. Es lässt sich per Klinkenkabel an einen Verstärker und an diverse Effektgeräte anschließen. Im Prinzip eignen sich hierfür alle Effektgeräte, die man als Gitarrist kennt: Chorus, Phaser, Delay, Distortion, etc. Für mich persönlich ist das Clavinet damit zur Gitarre unter den Tasteninstrumenten geworden. Und was liegt da näher, als sich mit den vielen Effekten, die es gibt, ordentlich auszutoben! Im nächsten Beispiel verwende ich den Big Muff Verzerrer . Das macht z. B. auch Lachy Doley, der mit seinem speziellen „Castlebar Clavinet“ eine verzerrte Gitarre imitiert und damit eindrucksvoll zeigt, was das Clavinet alles kann. Auch Tony Beliveau von den Crash Kings benutzt ein solches Clavinet und schickt es durch einen Verzerrer. Eine Ähnlichkeit zu Jimmy Hendrix ist dann auch als Tastenspieler möglich. Hören wir wie das klingt.
3. Stevie Wonder’s Superstition: Unverkennbarer Klassiker
Jeder kennt dieses Riff. Vermutlich handelt es sich um die prominenteste Aufnahme eines Clavinets. Ganz nebenbei bemerkt hat Stevie Wonder diese Aufnahme damals auf dem Vorgänger des D6-Clavinets, nämlich einem Clavinet C eingespielt. Klanglich gesehen kommt man dem Sound am nächsten, wenn man nur Pickup B benutzt (die Schalter müssen dann also auf „CB“ stehen). In dieser Einstellung ist der Sound etwas weniger bassig, bietet etwas mehr Höhen und ist insgesamt viel zickiger. Auf meiner Youtube-Suche habe ich sogar die isolierten Clavinet-Spuren von Stevie Wonder gefunden, siehe unten. Für seinen Song hat Stevie Wonder insgesamt drei Clavinet-Spuren mit verschiedenen Rhythmen eingespielt, welche sich zusammen zu einem interessanten Klang verweben. Für meine Aufnahmen habe ich das Clavinet über einen Fender Princeton Verstärker gespielt und ihn mit einem Neumann TLM103 abgenommen.
4. Wah-Gitarre à la Herbie Hancock, Billie Preston oder Incognito
Das Wahwah-Pedal darf unter keinen Umständen beim Clavinet fehlen. Ich habe damals diverse Pedale ausprobiert und bin schlussendlich beim Dunlop Crybaby geblieben. Der Sound gefiel mir am besten. Einige Kollegen hatten mir zur Bass-Variante, dem Bass-Crybaby aus gleichem Hause geraten, das erschien mir allerdings Klanglich etwas zu dumpf. In den 1970er Jahren waren Billie Preston und Herbie Hancock prominente Verwender des Wahwah-Pedals und auf manchen Aufnahmen haben sie deshalb sogar auf Gitarristen verzichtet. Das ist mit Sicherheit eine der Stärken des Clavinets: Es lässt sich durch die leichtgängige Tastatur besonders gut rhythmisch spielen. Es liegt also nahe, dass viele Spieler das Clavinet gerne als eine Art „Rhythmus-Gitarre“ eingesetzt haben.
5. Besonderer Sound: Strumming mit offenem Mute-Panel
Zum Abschluss noch eine echte Besonderheit, die ich entdeckte, die noch auf keiner Aufnahme von einem Keyboarder zu hören ist. Zuerst wollte ich die Saiten des Clavinets mit einem Plektrum spielen, was schwierig ist. Mit dem Zeigefinger gelingt das jedoch recht gut, denn die im Clavinet gespannten Saiten kommen rechts neben der Tastatur wieder zum Vorschein. Hierfür muss man allerdings den Mute-Panel aus dem Clavinet mit einem kleinen Handgriff ausbauen. Damit der Mute-Dämpfer nicht stört, habe ich einen Kugelschreiber verwendet und ihn zwischen Dämpfer und Tastatur geschoben. Damit wird der Dämpfer unwirksam. Jetzt kann man Töne anschlagen und sie gleichzeitig mit einem Finger wie bei einer Gitarre für Strummings verwenden. Das funktioniert allerdings nur bei den Noten, die man per Tastatur herunterdrückt. Also, Akkord auf der Tastatur drücken und zeitgleich über die Saiten streichen. Für das Beispiel kam anschließend noch ein Moogerfooger Phaser hinzugeschaltet: Dann wird’s noch wärmer und psychedelischer!
Custom-Clavinet von Luke Jones
Luke Jones, der Betreiber von „Custom Vintage Keyboards“ hatte mir bei meinem Besuch in seiner Werkstatt im letzten Sommer sogar ein spezielles Custom-Clavinet vorgestellt. Das war über einen speziellen Schlitz im Gehäuse ausgestattet, um solche Strummings jederzeit zu ermöglichen. Für meine Zwecke reichte das Ausbauen des Mute-Reglers aber vollkommen aus.
Simon I. sagt:
#1 - 15.09.2020 um 12:26 Uhr
Ganz toll deine Ausführungen zum Clavinet lieber Christian!
Jetzt weiss ich diese Sound gezielter einzusetzen auf meinem Yamaha CP-5 Stage Piano. Da drauf gibt es eine Reihe toll klingender Clav-Sounds an Bord.
Vor allem weiss ich jetzt auch Bescheid über den geschichtlichen Hintergrund des Hohner Clavinets.
Ein grosser DANKE aus der Schweiz,
Grüsse Simon
Michael Geisel sagt:
#1.1 - 27.09.2020 um 08:07 Uhr
Hallo Simon, vielen Dank für das Lob, das ich an unseren Autoren Christian Frentzen gerne weiterleite. Herzliche Grüße aus der Redaktion.
Antwort auf #1 von Simon I.
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenKnecht ruprecht sagt:
#2 - 23.03.2023 um 09:34 Uhr
rio reiser bei tss am hohner clavinet auf der Platte:"keine Macht für niemand"von 1972.