FM-Synthese im Eurorack garantiert viele einmalige Sounds. Wir besprechen in unserem Workshop grundlegende Patch-Techniken.
Vor der FM-Synthese schrecken – trotz Presets – schon im Softwarebereich viele Anwender zurück. Noch komplizierter scheint sie im Eurorack zu sein, wo es keine permanenten Einstellungen und Modulationen gibt. Doch das ist ein Trugschluss: Frequenzmodulation (FM) ist eines der wichtigsten Konzepte, um einzigartige Sounds aus modularen Synthesizern herauszuholen. Wie das funktioniert und welche Optionen man dabei hat, klären wir in diesem Workshop.
Quick Facts: FM-Synthese
Was ist FM-Synthese?
Mit dem Begriff der FM-Synthese verbinden viele Musiker heutzutage digitale FM-Synthese der frühen 1980er-Jahren. Der wohl bekannteste FM-Synth dieser Zeit ist der Yamaha DX7. Er konnte bis zu sechs digitale Sinusoszillatoren zur gegenseitigen Modulation nutzen. Auf diese Weise erzeugte er bis dato unerhörte Sounds, darunter die klassischen FM-Glocken und E-Pianos.
Doch FM-Synthese war schon früher ein wichtiger Bestandteil von Synthesizern. Bereits in den frühen kommerziellen Modularsynths von Moog und Buchla wurde sie für Sounddesign-Zwecke integriert. Der zentrale Unterschied: Weil die verwendeten Bauteile analog waren, konnte keine absolute Stimmstabilität gewahrt werden. FM war – und ist bis heute – in analogen Modularsynths eine eher experimentelle Technik.
Dank moderner Module kann FM im Eurorack mittlerweile für melodische Zwecke genutzt werden. Nach wie vor gilt: Je nachdem, ob analoge oder digitale Module verwendet werden, ist der Zugang ein anderer. Diesen Unterschied erklären wir im Folgenden mit einigen Beispielen.
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Analoge FM im Eurorack
Beginnen wir – chronologisch ‚korrekt‘ – mit analoger Frequenzmodulation. Generell ist es in diesem Zusammenhang wichtig, den Unterschied zwischen zwei Arten von FM zu kennen: lineare und exponentielle FM. Viele Eurorack-Oszillatoren verfügen über Eingänge für beide Typen, mindestens jedoch für lineare FM. Der 1V/Okt.-Standard, mit dem die Frequenz von Oszillatoren moduliert wird, basiert übrigens auf exponentieller FM.
Melodisch oder experimentell
Worin besteht nun der Unterschied zwischen linearer und exponentieller FM? Grundsätzlich gilt, dass lineare FM die stimmstabilere ist. Möchte man mit zwei oder mehr Oszillatoren im Eurorack FM-Sounds erzeugen, die obendrein sequenziert werden können, dann sollte lineare FM genutzt werden.
Ein Basis-Patch kann etwa wie folgt aussehen: Im Rack befindet sich ein Oszillator wie der Intellijel Dixie II+ oder der Buchla & Tiptop Audio 258t. Jetzt schickt man den Ausgang der Sinuswelle des Oszillators in den Mixer. Ein weiterer Oszillator muss noch unbenutzt sein. Dessen Sinus- oder Dreieckswelle wird jetzt in den FM-Eingang des ersten Oszillators gepacht. Jetzt langsam den Abschwächer am Eingang aufdrehen. Es entstehen Obertöne durch die Frequenzmodulation, wie in den folgenden Beispielen mit dem 258t und dem Make Noise 0-Coast zu hören.
Wenn es melodisch werden soll, wird der modulierende zweite Oszillator in seiner Basis-Frequenz höher als der hörbare eingestellt. Anschließend wird mit seinem „Tune“-Regler die Frequenz so eingestellt, dass eine gespielte Sequenz möglichst harmonisch klingt. Um diesen Effekt weiter zu unterstützen, kann die CV-Spannung aus dem verwendeten Sequenzer auch vervielfacht und in beide Oszillatoren geschickt werden. Und es hilft, den Modulator zum Carrier zu syncen, sofern dies möglich ist. So bleiben beide Oszillatoren schön parallel zueinander.
Exponentielles Sounddesign
Aber selbst dann wird der Sound irgendwann atonal, gerade wenn bei Oszillatoren wie dem Intellijel Dixie auf exponentielle FM gewechselt wird. Das liegt daran, dass exponentielle FM kaum harmonische Verhältnisse zwischen Modulatoren und Carriern erzeugt. Sie ist eher für Sounddesign-Zwecke vorgesehen. Ein klassisches Beispiel ist das Erzeugen eines Kickdrum-Sounds.
Um an das obige Beispiel anzuschließen, kann man dazu die Sinuswelle eines Intellijel Dixie durch einen VCA schicken, der mit einer kurzen Hüllkurve beispielsweise von einem Make Noise Maths moduliert wird. Diese Hüllkurve geht zugleich in den exponentiellen FM-Eingang des Dixie, dessen Grundfrequenz tief eingestellt wird. Die exponentielle Frequenzmodulation lässt dessen Frequenz dann kurz auf- und wieder absteigen, was für einen typischen Kick-Sound sorgt.
Thru-Zero: Wenn’s mal wieder schräg klingt
Auch bei der linearen Frequenzmodulation eines Intellijel Dixie oder eines Buchla & Tiptop Audio 258t kann es zu Problemen kommen. Wird der Eingangsabschwächer zu stark aufgedreht, entstehen zwar nach und nach mehr Obertöne, aber Sequenzen verlieren auch ihre Stimmstabilität. Das liegt daran, dass deren Wellen nur bis 0 Hz herunter moduliert werden können. Schlägt das Modulationssignal stärker aus, verstimmt sich der Oszillator-Kern der genannten Module – denn er ist nicht „Thru-Zero“.
Der Begriff „Thru-Zero FM“ bezieht sich auf die Fähigkeit, die Frequenz eines Oszillators über null hinaus in negative Frequenzwerte zu modulieren. Negative Frequenzen sind von entscheidender Bedeutung für eine stabile Tonhöhenwiedergabe mit jedem möglichen Modulationsgrad. Solche Oszillatoren sind bei linearer FM über einen weiten Bereich stimmstabil – und deshalb leider auch teurer. Viele komplexe Oszillatoren wie der Frap Tools Brenso sind etwa Thru-Zero. Doch auch etwas günstigere Module bieten diese Eigenschaft, etwa der Joranalogue Generate 3 (der Phasenmodulation für FM-Sounds nutzt) oder der Rubicon II von Intellijel. Den Frap Tools Brenso kann man in den folgenden beiden Beispielen hören.
Digitale FM im Eurorack
Analoge FM im Eurorack hat also ihren Charme darin, dass sie nie ‚perfekt‘ klingt und übrigens auch schnell in laute, verzerrte Bereiche gelangt. Wer es etwas cleaner haben will, sollte zu digitalen Modulen greifen. Ein gutes Beispiel ist hier der IME Piston Honda. Der hat zwei Wavetable-Oszillatoren, welche präzise gestimmt und sogar für Cross-FM genutzt werden können. Auch der Xaoc Odessa mit seinem digitalen Sinus-Kern oder der ERM Polygogo sind tolle FM-Oszillatoren. Wenn es ganz klassisch sein soll, gibt es dann noch Akemie’s Castle von ALM/Busy Circuits – eine komplexe FM-Stimme mit originalen Yamaha DX7-Chips!
Im digitalen Bereich wird ebenfalls zwischen linearer, exponentieller und Thru-Zero-FM unterschieden. Der Xaoc Odessa beispielsweise ist Thru-Zero, Akemie’s Castle nicht. Allein deshalb ist das Timbre der beiden Oszillatoren sehr unterschiedlich. Das Xaoc-Modul kann außerdem via Expander polyphon gespielt werden, die Stimme von ALM/Busy Circuits nur duophon.
In Algorithmen denken
Für mich liegt ein zentraler Unterschied zwischen analoger und digitaler FM im Eurorack darüber hinaus in der Art und Weise, wie man entsprechende Patches angeht. Analoge FM ist vor allem eine Aufgabe für das Ohr: Weil nichts zu 100 % stimmstabil ist, geht es darum zu entscheiden, was für einen selbst gut klingt. Bei digitalen Modulen, die unter Umständen auch polyphon spielbar sind, geht es vielmehr um die ‚Konstruktion‘ des Patches, also die Kombination aus Modulatoren und Carrier.
In der FM-Sprache nennt man das „Algorithmus“. Man kann sich im Kopf vorher einen Plan davon machen, welche Oszillatoren man wie verkabelt und so vorher überlegen, wie der entstehende Sound in etwa klingen könnte.
Patches durchdenken
Vor einem Patch sollte man sich zu folgenden Punkten ein paar Gedanken machen: Wie viele Oszillatoren sollen sich gegenseitig modulieren? Vielleicht drei, oder vier? Welcher Oszillator ist Thru-Zero und welcher nicht? Und könnte man ggf. Feedback-Modulationen integrieren? Macht man sich mit dieser Denkweise vertraut und arbeitet danach, steht nach einer Zeit eine neue Technik offen, mit der Patches begonnen werden. Vieles wird dann zum Oszillator oder zum Modulationsziel – denn was hindert einen daran, auch LFOs oder loopende Hüllkurven in Algorithmen einzubeziehen?
Zum Schluss
Um zu diesen und anderen Ideen zu kommen, ist vor allem eines wichtig: Neugier. Keine Scheu vor schrägen Klängen. Im Prinzip sind sie bei Eurorack-FM nie ganz zu vermeiden. Diese sollte man als Teil des Prozesses annehmen, als zusätzliche Klänge betrachten, die sonst nicht entstehen würden. Es gilt, mit dem Ohr den Unterschied zwischen linearer, exponentieller und Thru-Zero-FM kennenzulernen. Und auch, wie diese mit unterschiedlichen Oszillatoren klingen.
Es empfiehlt sich auch einen eigenen FM-Algorithmus aus mehr als zwei Oszillatoren zu bauen und ihn gezielt einzustellen. Das klingt kompliziert – ist es aber nicht! Im obigen Beispiel mit dem Dixie II+ bzw. dem 258t fehlt nur noch ein Oszillator, den man in einen der beiden bestehenden für FM patcht. Einfach ausprobieren: Es eröffnen sich unendlich viele neue Klänge – und das ist nur der Anfang der möglichen Komplexität. Wie das Eurorack insgesamt, ist die FM-Synthese ein klassisches „rabbit hole“, in das man immer tiefer hineingeraten kann. Man muss nur den ersten Schritt wagen.