JZ Microphones Vintage V67 Test

“Sich kein X für ein U vormachen lassen” heisst es ja für gewöhnlich. Eine bekannte kölsche Mundart-Band hat sogar ein Album “X für e U” betitelt. Diese beiden Buchstaben sehen sich nicht sonderlich ähnlich, dementsprechend schwer ist es, ein X in ein U umzudeuteln. Mit “V” und “U” sieht es da schon anders aus, denn diese Lettern können äusserst schnell einer Verwechslung zum Opfer fallen. Ich habe beispielsweise gelernt, meinen Nachnamen immer möglichst sauber zu schreiben, um nicht wider Willen zum Herrn “Mauridis” zu werden (Ich bin aber auch deutlich Schlimmeres gewohnt, “Nickmar Friedes” zum Beispiel). 

JZ_Vintage2012-1020838 Bild


JZ Microphones nutzen die optische Nachbarschaft der beiden Zeichen unter Zuhilfenahme der Zahl 67 sicherlich aus, um dem Interessenten zu verdeutlichen, dass es eine gewisse Nähe ihres Mikrofons zum Neumann-Klassiker U67 gibt. Diese Nähe wird wohl klanglicher Natur sein, denn im “Phänotyp” der beiden bemerkt man keine großen Gemeinsamkeiten, zudem verzichtet das V67 auf eine rückseitige Membran und die damit verbundene Umschaltbarkeit der Richtcharakteristik. Auch eine Vakuum-Röhre wie im Original lässt das JZ vermissen. Will man uns da etwa ein V für ein U vormachen? Oder schlimmer noch: Ein X(-belibiges Mikrofon) für ein gutes, altes U von Neumann? 

Details

Produkte des lettischen Herstellers JZ Microphones haben in vorangegangenen Tests bei bonedo ja schon ordentlich Sympathien einheimsen können. Ein entscheidendes Alleinstellungsmerkmal der Mikrofone ist die besondere Art und Weise, in der die Membran gesputtert (also mit leitfähiger Substanz beschichtet) wird: Im Gegensatz zu herkömmlichen Kondensatorkapseln hat die Kathodenzerstäubung keine durchweg gleich hohe Schichtdicke des leitfähigen Materials zur Folge, vielmehr werden mehrere Punkte (“Golden Drops”) auf die Membranoberfläche aufgebracht. Dies wiederum hat einen entscheidenden Einfluss auf die Membranmasse im Allgemeinen und die Entstehung von Moden im Speziellen – und somit natürlich auch auf den Sound.

Was der Namensgeber und Kopf des Unternehmens Juris Zarins bloß am “Nichts” findet? Schließlich baut er es an verschiedenen Stellen in seine Mikrofone ein: Löcher, überall Löcher! Nicht nur im bereits getesteten Black Hole, auch im V67 lauert ein nettes Guckloch ein Stück weit über dem Fuß des Mikrofons. An der Unterseite des flachen Mikrofons findet man neben dem allseits bekannten XLR-Anschluss einen intelligenten Stativadapter: Mittels einer dicken Kugel kann das Mikrofon beliebig ausgerichtet werden, ein Ring fixiert diese Position. Die Metallkugel lugt auf der Unterseite des Lochs ein wenig hinaus. Wer das Mikro lieber auf eine Spinne montieren möchte, der guckt leider in die Röhre, denn eine solche gibt es schlicht und einfach nicht.

Der Korpus des JZ V67 verfügt über ein angenehmes Äußeres – allerdings hinterlässt die “Glitzi-Pitzi”-Beschichtung nicht den Eindruck, als würde sie ihre Schönheit über die Jahre konservieren können. Schnell machen sich dunkle Abriebspuren bemerkbar. Der große Kopf aus Drahtgeflecht beherbergt die Nierenkapsel, deren Durchmesser mit 25 Millimetern knapp unter einem Zoll liegt. Der Frequenzgang steht mit 20 Hz bis 20 kHz im Datenblatt, ein Blick auf die grafische Darstellung verrät, dass erst unter 30 Hz mit einem starken Rückgang zu rechnen ist. Im Höhenbereich geht es zwar ab 7 kHz kontinuierlich in den Keller, dies jedoch mit erstaunlich flacher Flanke, sodass mit einer ordentlichen Portion Höhen zu rechnen ist. Ansonsten verläuft die Kurve recht ausgeglichen, lediglich eine breite, sanfte Senke zwischen 200 Hz und 2 kHz ist bemerkbar – anders ausgedrückt: eine leichte Anhebung um 80 Hz und 5 kHz herum. Der direkte Verwandte des V67, das V47, verfügt im Frequenzgang lediglich um einen geringfügig tiefer angesetzten Support der oberen Mitten – dort liegt er bei etwa 3 kHz und ist etwas schmaler. Der maximale Schalldruckpegel des phantomgespeisten V67 liegt mit 134 dB für 5% THD in einem ordnungsgemäßen Bereich für ein modernes Mikrofon, die Empfindlichkeit mit 22 mV/Pa ebenso. Das A-bewertete Rauschen des Echtkondensator-Mikros liegt laut Hersteller-Angaben bei erstaunlich geringen 6 dB – was ich im späteren Hörtest nie bezweifelt habe. Geliefert wird der baltische Schallwandler in einer kleinen Holzschatulle mit Magnetverschluss.

Praxis

Es mag im ersten Moment erstaunlich klingen, aber ich war schon einmal ziemlich traurig, nachdem ein Mikrofon von JZ per Paketdienst geliefert wurde: Ein BH2 sollte an unserem Testmarathon der Großmembran-Kondensatormikrofone in der Preisklasse zwischen 900 und 1500 Euro teilnehmen, doch leider hatte das gute Stück die sicher nicht sonderlich zaghafte Behandlung des Pakets nicht ohne Spuren überstanden und so klackerte die Kapsel im Mikrofonkorb lose hin und her. Es ist zwar Spekulation, aber naheliegend, dass ein häufigeres Auftreten dieser Problematik der Grund dafür ist, dass vor Inbetriebnahme des V67 an seiner Korbrückseite eine lange Schraube gelöst werden muss. Man kann bei erneutem Transport sicher versuchen, diese wieder einzudrehen, doch ist dies auch als Warnung an alle zu verstehen, die mit Mikrofonen gewohnheitsmäßig “Rock’n’Roll-mäßig” umgehen. Vorsicht ist also die Mutter der Porzellankiste. Allerdings gibt der Hersteller von der Ostsee selbstbewusste fünf Jahre Garantie – das hört man gerne!

JZ_Vintage207-1020859 Bild

Nicht nur in der Theorie, auch in der Praxis ist die Möglichkeit, das Mikrofon auf der großen Kugel in jede Richtung abzuwinkeln, einfach nur genial. Der Fixier-Ring packt brutal zu und lässt auch eine minimale Bewegung eines horizontal ausgerichteten Mikrofons nicht zu. An alle anderen Mikrofonhersteller: Holt mal bitte das Innovationsmesser aus der Schublade, schärft es mit dem Produktplanungswetzstab und schneidet euch da mal eine ganz dicke Scheibe von ab! Dass es problematisch ist, diese Technik mit einer Spinne zu verbinden, liegt auf der Hand. JZ scheinen das alte Trittschallproblem direkt an der Kapsel gepackt zu haben. Man sieht immer häufiger eine elastische Aufhängung schon am Empfänger, anstatt das ganze schwere Mikrofon elastisch zu lagern. Allerdings kann dies zu weiteren Problemen führen – die eben beschriebene Schraube kündet davon.
 

Klanglich stellen JZ-Mikros schon fast eine eigene Klasse dar. Wer einen Großmembran-Kondenser mit sehr klaren und schnellen Höhen sucht, die nicht beißen oder “britzeln”, kommt um diesen Hersteller kaum herum. Allerdings muss man darauf gefasst sein, einen Sound zu bekommen, der sich von dem abhebt, was man sonst von Großmembranern gewohnt ist – die Bedampfung der Membran hat eben Einfluss auf ihr Schwingverhalten. Ich finde es grandios, eine derart weite Range zu Verfügung zu haben, denn auch im Tiefbassbereich sind die Wandler des Herrn Zarin äußerst gut aufgestellt.

Was ganz allgemein für JZ gilt, gilt natürlich auch für das V67. Bei aller Klarheit und hervorragender Darstellung der Transienten (als Beweis dient hier vor allem das Drum-File!) gibt es nichts, was hervorsticht oder fehlt. Ich habe selten eine so ausgewogene Akustikgitarre gehört. Vom unteren bis weit über den mittleren Pegelbereich arbeitet das Mikrofon mit einer erstaunlich linearen Dynamik. Diese knickt auch im Bereich hoher Pegel nur sanft ein – und läuft sehr schnell wieder zurück. Hier macht sich der erstaunliche Frequenzgang des Systems erneut bemerkbar. Um aber an dieser Stelle schon einmal Bezug auf die Bezeichnung des Mikrofons zu nehmen: Sonderlich vintage finde ich das nicht!

Audio Samples
0:00
Drums (Raum) V67 Drums (Raum) MA, Vergleichsmikrofon:Mojave MA-201FET Akustikgitarre V67 Akustikgitarre MA, Vergleichsmikrofon: Mojave MA-201FET

Bei der Frauenstimme fällt im Vergleich zum MA-201FET auf, dass das V67 auf die zischelnde Färbung im Präsenzbereich verzichtet – ein Einfluss auf das Signal, den ich oft als angenehm empfinde. Das JZ ist also recht zurückhaltend. Für Gesangsstimmen wird man den Frequenzgang des V67 jedoch in der Regel nach unten begrenzen wollen. Hört man die männliche Stimme solo, so wird deutlich, dass die Brustraumresonanzen zu deutlich sind. Eigentlich schade, dass dieser Eingriff nicht direkt am Mikro durch ein HPF ermöglicht wird.

Audio Samples
0:00
weibl. Vocals V 67 weibl. Vocals MA, Vergleichsmikro: Mojave Audio MA-201FET männl. Vocals V67 männl. Vocals MA, Vergleichsmikro: Mojave Audio MA-201FET Song weibl. V. V67 Song weibl. V. MA Song männl. V. V67 Song männl. V. MA

Was die Audiofiles erzählen, kann ich jetzt noch einmal zusammenfassend in die deutsche Sprache übersetzen: Das JZ Microphones V67 ist ein hervorragendes Mikrofon. Ihr ahnt vielleicht, dass jetzt das “Aber” folgt. Hier ist es: Ich kann nicht verstehen, wie man so einem hervorragenden Produkt ein Kürzel verpassen kann, das es in die Nähe einer alten Mikrofonlegende rückt! Zum Einen hat JZ es überhaupt nicht nötig, sich hinter irgendwelchen erfolgreichen Vertretern der Mikrofonwelt zu verstecken, zum Anderen hat das V67 optisch, technisch und klanglich so gut wie nichts mit einem Neumann U67 gemein. Ich frage mich also ganz zu recht: Was soll das? Im Aussehen sind sich die beiden so gleich wie ein Flachlandtapir und ein Marienkäfer. Für die Gemeinsamkeiten einer Mittenkontakt-Doppelmembrankapsel und einer Golden-Drops-Nierenkapsel sowie jene eines Röhrenmikrofons aus der Mitte des letzten Jahrhunderts und einem transformatorlosen Vertreter modernster Bauart könnt ihr gerne weitere Tiervergleiche bemühen.

JZ_Vintage2011-1020862 Bild

Heute klingen verfügbare U67 gerne recht unterschiedlich, sodass ein aussagekräftiger “Vergleich” schwer wäre, doch allen gemein ist, dass sie über einen deutlich anderen Frequenzgang verfügen als das V67. Auf den ersten Blick mag man bei beiden die viel gepriesenen “seidigen”, aber immer “transparenten” Höhen und das kräftige Low-End erkennen, doch bei genauem Hinhören beruhen diese Soundbeschreibungen auf komplett unterschiedlichen Gegebenheiten. Das Neumann verfügt über einen im Vergleich recht schmalbandigen Support über den Präsenzen und stürzt in alter Großmembran-Manier im Air-Band deutlich ab, während das JZ aufgrund seiner speziellen Kapsel fast Kleinmembran-Eigenschaften aufweist. Der charakteristische Mittenboost des U67 fehlt dem V67 völlig. Und so geht die Liste weiter. Ich glaube, dass sich Juri Zarins mit der Bezeichnung etwas in den Fuß geschossen hat. Allerdings hat er sonst so gut wie alles richtig gemacht und ein wirklich grandioses Mirkofon gebaut. Charakterlich liegt mir das Black Hole etwas mehr, doch sind die klanglichen Unterschiede nicht so riesig, wie man vielleicht vermuten möchte: Die Membranbeschichtung scheint den Grundcharakter der JZ-Mikros festzulegen.

FAZIT

Ich frage mich allen Ernstes, was JZ Microphones geritten hat, diesen Schallwandler mit “V67” zu bezeichnen und damit in die Nähe des Neumann U67 zu rücken. Ich kann bis auf die Tatsache, dass beide mit großen Kapseln in Kondensatortechnik arbeiten, keine Gemeinsamkeiten feststellen. Es ist aber festzuhalten, dass das JZ Vintage V67 ein absolut hervorragendes Mikrofon für einen äußerst fairen Preis ist. Es klingt modern, aber gleichzeitig vornehm zurückhaltend, ist flexibel und lässt sich dank einer hervorragenden Neigungseinrichtung vortrefflich handhaben. Die Ausstattung ist etwas mager, besonders wäre es aufgrund der massiven Tiefenübertragung des V67 nicht verkehrt gewesen, schon durch einen Schalter am Mikrofon die weiteren Teile der Signalkette mit einem Hochpassfilter um für das Ergebnis möglicherweise nicht relevante Tiefen erleichtern zu können.

Meine persönliche Meinung: Das Vintage V67 ist grandios, steht charakterlich jedoch hinter den von mir bereits getesteten BH2 und BT301 etwas zurück, aber das liegt eher an der Begeisterung, die diese beiden anderen bei mir bewirkt haben. Insgesamt jedoch ist das V67 ein weiteres Indiz dafür, dass der Firmenname des jungen Unternehmens JZ Microphones nicht mehr als “einer der vielen anderen” bezeichnet werden kann, sondern durchaus zur festen Größe gezählt werden kann.

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • Ausgewogenheit
  • verhaltener, aber edler Charakter
  • sehr breiter Frequenzgang
  • Kugelverschluss zum Ausrichten des Mikrofons
Contra
  • Qualität der Gehäusebeschichtung
Artikelbild
JZ Microphones Vintage V67 Test
Für 685,00€ bei
JZ_Vintage2012-1020865 Bild
Technische Daten
  • Membrangröße: groß (ca. 1″)
  • Empfängerprinzip: Druckgradientenempfänger (mit Laufzeitglied)
  • Richtcharakteristik: Niere
  • Wandlerprinzip: Kondensator (nicht vorpolarisiert)
  • Betriebsspannung: 48V Phantomspeisung
  • Frequenzgang: 20 Hz – 20 kHz (ohne Angabe des Toleranzbereichs)
  • Übertragungsfaktor: 22 mV/PA
  • THD+N: 6 dB(A-bewertet)
  • maximaler Schalldruckpegel: 134 dB SPL
  • Ausgang: XLR male
  • Besonderheit: Kugelfixierung zur Ausrichtung
  • Preis: € 1349,- (UVP)
Hot or Not
?
JZ_Vintage-12 Bild

Wie heiß findest Du dieses Produkt?

Kommentieren
Schreibe den ersten Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Bonedo YouTube
  • iZotope Ozone 12 Bass Control Demo (no talking)
  • LD Systems ICOA Pro Series - All you need to know!
  • Watch THIS if you use analog gear! Everything you need to know about the Freqport FreqInOut FO1