Wer sich mit Harmonielehre und Musiktheorie schwertut, hat mit DAW-internen Akkordspuren und Plugins, die Akkorde erkennen, hilfreiche Tools zur Seite. Scaler 2 von Plugin Boutique ist eines dieser Hilfsmittel, wir haben es für euch unter die Lupe genommen. Ob es hält, was das Marketing verspricht, und ob man wirklich schneller und schöner Musik macht, zeigen wir euch im Test.
Man findet partout nicht die richtigen Akkorde zur Bassline, die Tonart des Loops, den man aus dem Soul-Klassiker gesampelt hat, lässt sich nicht herausfinden und alles, was man dazu spielt, klingt irgendwie schief. Oder aber es klingt alles ein wenig zu langweilig und im wahrsten Sinne des Wortes eintönig. Abhilfe versprechen Harmonie-Tools wie die Captain Plugins, InstaChord oder Cthulhu. In diesem Test widmen wir uns dem Scaler 2 von Plugin Boutique und zeigen, was das Plugin draufhat.
Version 2 des Scaler Plugins kann nun endlich Akkorde und Tonarten des Audiomaterial erkennen. Zudem lassen sich mehrere Instanzen von Scaler 2 miteinander synchronisieren. Alles, was bei Tonart und Akkorden bei einer Instanz eingestellt wird, hakt sich dann in den Instanzen auf den anderen Spuren quasi ein. Außerdem sind über 200 neue Akkord-Sets neu dabei, viele neue Artikulationen, jede Menge kleiner Verbesserungen und man kann nun zwischen Tonarten modulieren.
1/3 Im Plugin kann ganz einfach zwischen Audio- und MIDI-Erkennung gewechselt werden. Bei der Audiotonart-Erkennung ist es wichtig für den Algorithmus, dass der Pegel der Quelle nicht zu gering ist. Eine kleine Anzeige weist darauf hin.
2/3 In den „Session“-Einstellungen können Scaler 2 Instanzen nicht nur synchronisiert werden. Auch eine Plugin-Einstellung, also Tonart, Akkordfolge, Spielweise und Stimmführung, kann als eigenes „State“-Preset gespeichert werden.
3/3 Der „Sync“-Dialog zeigt, wie viele andere Instanzen erkannt wurden, warnt aber auch davor, diese zu synchronisieren, denn deren Einstellungen werden dadurch überschrieben.
Plugin Boutique dürfte einigen vor allem als einer der Plugin-Shops bekannt sein, wo man als Schnäppchenjäger viel Zeit Geld loswerden kann. Vor gut zwei Jahren veröffentlichte man mit Scaler das erste hauseigene Plugin. Nun ist Ende Mai Version 2 erschienen. Erhältlich ist sie nur auf der Webseite von Plugin Boutique und wer Version 1 besaß, darf sich besonders freuen: Das Upgrade gibt es für schmale 19 Euro. Der Download ist knapp 800 Megabyte groß und das Plugin ist in allen gängigen Formaten erhältlich. Wer sich selbst ein Bild machen möchte, kann sich über einen eigenen Account bei Plugin Boutique eine 30-Tage-Demo herunterladen.
1/2 In Ableton Live muss Scaler auf eine separate Spur als MIDI-Instrument geladen werden. Dann im Plugin den roten Aufnahmeknopf aktivieren, in der Scaler-Spur „MIDI From“ auf die Spur stellen, auf der die gespielten Noten liegen, „Monitor“ auf IN wechseln und abspielen.
2/2 In Logic Pro-X wird das „Scaler Control 2“ Plugin als MIDI-Plugin vor dem eigentlichen Instrument geladen.
Je nachdem, in welcher DAW man Scaler 2 nun einsetzt, unterscheidet sich die Herangehensweise an das Routing. In Logic Pro-X beispielsweise kann man das Plugin als reines MIDI-Plugin vor dem eigentlichen Instrument laden, diese Version nennt sich dann „Scaler Control“. In Ableton beispielsweise lädt man das Plugin als normales Instrument auf einer MIDI-Spur. Möchte man andere VSTi ansteuern, muss man das über das „MIDI From“-Routing einstellen. Bei allen anderen DAWs wird es immer einer dieser beiden Varianten sein, wie Scaler einzusetzen ist.
Szenario 1: Passende Akkorde zu einer Basslinie finden
Ich habe eine Bassline zu meinem Beat gespielt und möchte nun wissen, in welcher Tonart sie ist, um dann die passenden Akkorde für einen Pad- oder Klaviersound zu finden. Dafür lädt man Scaler 2 als MIDI-Plugin und stellt es auf aufnahmebereit. Spielt man nun die Basslinie ab, zeichnet Scaler 2 die Noten auf und schlägt in der Mitte der Oberfläche verschiedene passende Tonarten vor.
1/2 Oben im MIDI-Clip in der Bass-Sour werden die MIDI-Noten abgespielt, Scaler 2 nimmt diese auf in der separaten Spur und schlägt darunter sofort mögliche passende Tonarten vor.
2/2 Wählt man in der Mitte eine Tonart aus, werden direkt darunter die sieben Stufenakkorde angezeigt, aus denen man sich dann eine Akkordfolge kreieren kann
Je nachdem, welche Tonart man auswählt, präsentiert das Plugin im unteren Bereich die dazugehörigen Stufenakkorde. Diese können entweder per Mausklick oder per MIDI-Keyboard angespielt werden. Sie lassen sich über den „Bind“-Befehl (rechts das kleine „C“) auf einzelne Tasten legen. Hat man nach einigem Herumprobieren drei oder vier Akkorde gefunden, die zur Basslinie passen, kann man diese im „Pattern“-Bereich in der gewünschten Reihenfolge arrangieren und dann über den Button „Drag“ als fertigen MIDI-Clip in die Instrumentenspur der DAW ziehen. Alternativ kann man auch „MIDI Capture“ aktivieren; dann schneidet Scaler 2 den Rhythmus mit, in dem man die Akkorde triggert, und bietet dann ebenfalls die Möglichkeit, das Ergebnis als MIDI-Datei in die DAW zu exportieren.
Audio
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07. Synth-Bass in u-He Repro-108. Pad-Akkorde (A Warm Pad)09. Kombination Synth-Bass und Pad-Akkorde
Szenario 2: Tonart und Akkorde einer Audiodatei finden
Scaler 2 bietet in der neuen Version nun auch die Erkennung von Akkorden und Melodien bei Audiomaterial an. Entweder man zieht die gewünschte Datei per Drag-and-drop in eine Instanz des Plugins oder man benutzt das mitgelieferte Scaler Audio 2-Plugin als Insert und aktiviert dort die Aufnahme. Im Test erwies sich die Drag-and-drop-Variante als treffsicherer. Beim Erkennen von Akkorden während des Abspielens tat sich Scaler 2 teilweise sehr schwer. Oft mussten die erkannten Akkorde zurückgesetzt und das Audio erneut eingelesen werden. Hier sollte man seine Erwartungen an die Audioerkennung eher noch dämpfen.
Unten wird eine wav-Datei einfach aus dem Finder/Explorer auf Scaler gezogen. Oben die Resultate verschiedener Aufnahmen, von kurzen Melodie-Loops hin zu längeren Clips bekannter Lieder. Bei den grünen Clips wurde die Tonart richtig erkannt, bei den roten falsch oder gar nicht.
Ganz konkret haben wir Loops von Splice und einzelne Ausschnitte bekannter Songs als Beispiele herangezogen, wie es im Producer-Alltag am häufigsten vorkommt. Bei beiden braucht man Akkorde und Tonarten, wenn sie zum Beat passen sollten. Bei einem Synth-Loop beispielsweise sollte Scaler 2 die Akkorde erkennen. Von den vier Akkorden der Tonart Fis-Moll wurde gerade einer erkannt, auch nach mehreren Anläufen. Bei einem Bass-Loop sollte nur die Tonart erkannt und uns passende Akkorde präsentiert werden. Bei der Bassline wurde ordnungsgemäß E-Dur erkannt und wir konnten schnell eine passende Klaviermelodie entwerfen.
Szenario 3: Kompositionshilfe
Um spannendere Akkordfolgen zu finden, komplexeres Klavierspiel zu simulieren oder einfach in fremden Genres zu stöbern, braucht man entweder viel Geduld und Übung oder ein Plugin wie Scaler 2. Wenn man sich die Klickzahlen bei Videos zu Scaler 2 oder Captain Chords und die wachsende Menge an MIDI-Plugins aus diesem Bereich ansieht, scheint der Bedarf in der Producer-Community enorm zu sein.
1/3 Wen die eingebauten Instrumente stören, kann sie ganz oben in der Liste auf „Off“ stellen.
2/3 Wählt man aus den vielen fertigen Akkordsets aus, bekommt man nicht einfach eine Tonart und die passenden Akkorde, sondern direkt darunter quasi einen fertig geschriebenen Song, in dem die Akkorde aufgereiht sind.
3/3 Hat man unten eine gewünschte Akkordfolge gebaut und über die Trigger-Keys einen Rhythmus gefunden, kann man diesen über „MIDI Capture“ aufnehmen und als fertigen MIDI-Clip exportieren.
Flux eines der dreiunddreißig Instrumente ausgewählt und in den Akkordmenüs bei den „Songs“ oder „Artists“ gestöbert. Ist eine Stilrichtung oder ein Set eines Künstlers ausgewählt, tauchen darunter die entsprechenden Akkordsymbole auf, die dann per Mausklick probegehört werden können. Gefällt ein Akkord, kann man diesen unten in den Pattern-Bereich ziehen und so Stück für Stück eine eigene Akkordfolge bauen. Etwas musikalischer als nur mit der Maus wird das Ganze noch, indem man rechts oben das kleine „A“ aktiviert. Nun liegen alle Akkorde jeweils auf einer einzelnen Taste (MIDI-Keyboard oder Controller vorausgesetzt) und können quasi gleich mit nur einem Finger gespielt und zum Beat ausprobiert werden.
1/2 Scaler 2 bringt Akkordfolgen aus sehr unterschiedlichen Genres und Stimmungen mit.
2/2 Zusätzlich hat Plugin Boutique verschiedene Künstler/innen gebeten, ihnen weitere Akkordfolgen zu komponieren. Schöne Geste: Auch die Community durfte einige Sets beisteuern.
Dazu gibt es verschiedene Artikulationen, mit denen die Akkorde dann nicht nur als aufeinanderliegende Noten abgespielt werden, sondern wahlweise leicht versetzt wie bei einem langsam angeschlagenen Gitarrenakkord oder gleich als eigener Rhythmus. Wo die drei Kategorien für die Rhythmus-Presets „Performances“, „Phrases“ und „Rhythms“ noch ansatzweise aussagekräftig sind, wird es in den Untermenüs für alle, die nicht klassische Musik studiert, inhaliert und komponiert haben, etwas kryptisch. Was nun genau der „Mosso“-Rhythmus in der Kategorie „Presto“ für ein Hüftenschwinger ist und dass es sich bei „Doppio“ in der Kategorie „Vivace“ nicht um einen extra starken Espresso handelt, ist für alle, die wirklich noch am Anfang stehen, eher schwer zu erkennen. Das Handbuch und der YouTube-Kanal schweigen sich über die Bedeutung aus, was für Einsteiger/innen leider gar nicht hilfreich ist.
Die Rhythmen selbst liefern teilweise sehr spannende, teilweise sehr durch den Klassikmusik-Hintergrund angehauchte Ergebnisse, die dann nicht immer gut zu moderner elektronischer Musikproduktion passen. Aber besser als programmierter Viertelnoten ist das allemal. Will man komplexere Figuren erzeugen, kann man bei der selbstgebauten Akkordfolge für jeden Akkord eine andere Länge, Geschwindigkeit und Artikulation erzeugen und das ebenfalls als MIDI-Clip exportieren.
1/2 Alle Rhythmen und Spielweisen haben die klassischen italienischen Bezeichnungen für die Artikulation, was für alle, die noch ganz am Anfang stehen, dann eher einen Blindflug bedeutet.
2/2 Das Modulationswerkzeug in Scaler ist sehr mächtig. Hier zum Beispiel kann man auf Knopfdruck zwischen den Stufenakkorden alle sieben Modi umschalten.
Dazu gibt es nützliche Funktionen wie ein „Humanize“-Modul, das den starren MIDI-Noten mit Timing- und Velocity-Variationen etwas Leben einhaucht, eine „Voice Grouping“-Funktion, die die gewählten Akkorde auf bestimmte Tastenbereiche festlegen kann und damit die Stimmführung erleichtert und einen großen „Modulation“-Bereich. Von einer Tonart in einer andere zu wechseln, zu modulieren eben, ist für viele der Punkt, wo es mit dem musiktheoretischen Vorwissen dann endgültig eng wird. Zugegeben, diese Modulationen sind in weiten Teilen der größeren Genres momentan kaum vorhanden, aber wer weiß, vielleicht hilft Scaler 2 ja dabei, das zu ändern.
All denen, die sich ein wenig näher an das Thema Musiktheorie wagen wollen, ohne sich gleich mit Quintenzirkel, Notenlesen und monatelangen VHS-Kursen beschäftigen zu müssen, wird Scaler 2 helfen. Aus MIDI-Noten die Tonart zu erkennen und dann passende Akkorde zu finden, macht das Plugin zu einem sehr nützlichen Tool, das aber an einigen Punkten noch nicht ganz weiß, für wen es eigentlich sein will. Die Audiotonart-Erkennung richtet sich ganz klar an die heutige Splice-Generation, liefert aber eher durchwachsene Ergebnisse. Die Artikulationen mit ihrer italienischen Namensgebung aus der Klassik helfen genau niemandem: Einsteiger/innen sagen die Begriffe nichts und die, die tief genug in der Materie sind, werden nicht in die Nähe dieses Plugins kommen. Grundsätzlich sollte man seine Erwartungen an die Möglichkeiten von Scaler 2 etwas dämpfen. Wer das aber ausklammert und sich für eine kleine Einarbeitungszeit und etwas Herumprobieren nicht zu schade ist, der wird mit dem Plugin ein mächtiges Kompositionstool bekommen.
Pro
komplexe Akkordfolgen schnell erzeugen ohne Musiktheoriekenntnisse
Tonarten von Basslinien und Melodien erkennen und passende Akkorde anbieten
skalierbare Oberfläche
Interpluginkommunikation: Tonart einer Scaler-Instanz lässt sich in einem Projekt auf andere übertragen
Contra
Audio-Akkord-Erkennung mangelhaft
Qualität der Sounds eher dünn
Namensgebung für Artikulationen/Spielweisen kaum nachvollziehbar
Features
über 200 Akkordsets: 27 Genres mit jeweils mehreren Akkordsets; 35 Künstler/innen mit jeweils mehreren Akkordsets
Erkennung von Tonarten in Melodien und Akkordfolgen bei MIDI und Audio-Material
33 eigene Instrumente
Modulationsbereich für Tonartwechsel
einfaches Erzeugen von Akkordfolgen im Pattern-Bereich
Humanize-Funktion (Timing und Velocity)
über 150 Spielweisen: Expression, Arpeggio, Strumming
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