EMI, TG und Abbey Road – das gehört zusammen wie Waves, Emulationen und dicke, eingekaufte Namen. Kaum ein Plugin des US-israelischen Herstellers, was nicht irgendwo in den Annalen der Recording-Geschichte kramt. Verkauft sich halt auch gut.
Es gibt aber auch noch einen Trend im aktuellen Audio-Prozessor Markt – und der heißt One-Stop-Trick. Es gibt immer mehr Plugins, die gleich mehrere klassische Bearbeitungsprozesse wie das EQing, Filtering und Komprimieren geschickt kombinieren und einen konkreten Einsatzzweck, wie das finale Mastering forcieren.
Details
Name Dropping
Das Waves Abbey Road TG Mastering Chain Plugin ist eine Emulation der EMI TG12410 Mastering und Transfer Console, welches seit den frühen 70er Jahren in den Mastering Suiten der Londoner Abbey Road Studios Verwendung finden.
Und für alle, die die letzten 60 Jahre Musikgeschichte verpennt haben: Abbey Road, das ist das Studio der The Beatles. Und natürlich auch Pink Floyds „Dark Side of the Moon“, Nirvanas „In Utero“, Radioheads „OK Computer“ und Ed Sheerans „+“ wurden dort durch eine der vielen TG12410 gezogen.
Vielfältigste Varianten, halb-modularer Aufbau
Das native Waves Plugin ist für die Formate VST2, VST3, AU, AAXnative, SoundGrid sowie für Windows und OSX erhältlich und Waves-typisch sowohl als Mono- als auch Stereo-Instanz ladbar. Außerdem gibt es noch eine etwas zeitfreundlichere „Live“-Variante ohne FIR-Filter.
Hinzu kommt ein zusätzliches Metering-Plugin mit Peak, PPM, Phase und VU-Meter-Anzeigen, das alle geladenen Abbey Road TG Mastering Chain-Instanzen via Drop-down auslesen kann.
Die TG Mastering Chain ist ferner halb-modular aufgebaut und besteht aus drei, in der Reihenfolge veränderlichen Prozessoren, die für das Filtering, den Tone-Shaping (EQ) und das Compressing/Limiting zuständig sind. Logisch, dass auch sie kryptische EMI-Bezeichnungen schmücken, die ich nicht vorenthalten möchte: TG 12412, TG 12413 und TG 12414. Einzel-Plugins gibt es nicht.
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Alle Module sind Dual-Mono ausgelegt und lassen unterschiedliche Einstellungen für den linken und den rechten Kanal zu. Darüber hinaus kennen sie einen M/S- sowie einen Duo-Mode und es gibt zwei Ansichten: kompakt und detailliert.
Ein kleiner Schiebeschalter neben den einzelnen Modul-An/Aus-Schaltern aka Bypass vollführt den Trick und es werden deutlich mehr Optionen sichtbar. Allerdings verschwinden dann die anderen Module optisch, was bei heutigen Bildschirmgrößen nicht unbedingt hätte seine müssen. Generell mutet mir aber die ansonsten recht klar-strukturierte GUI etwas zu klein und „fisselig“ an.
Tone TG 12412 aka der Equalizer
Der TG EQ ist vier-bandig, kennt jeweils einen Hub von +/-10 dB sowie Low- und High-Shelf-Charakteristik und drei verschiedene Glockenfilter (breit, mittel, eng). Die Einsatzfrequenzen sind unterschiedlich und überlappen sich nicht. Jedes Band kennt fünf Eckfrequenzen, sodass man insgesamt auf folgenden Frequenzen kommt: 32, 45, 64, 91, 128, 181, 256, 362, 512, 724, 1,02k, 1,45k. 2,05k, 2,6k. 3,25k, 4,1k, 5,8k, 8,1k, 11k und 16k, alles in Hz.
Der Limiter/Kompressor TG 12412
Die Dynamiksektion ist bescheiden wie das Original gehalten und kennt nur jeweils fünf Recovery-Zeitsätze. Der offizielle Chandler Nachbau und auch dessen Universal Audio Clone sind da flexibler. Dafür gibt auch hier drei Modi namens Original, Modern und Limit. Hinzu kommt eine Ratio von 1 bis 100, die aber eher das Verhältnis von Input zu Output bestimmt, sowie auch ein Mixregler für etwaige Parallel-Compression. Außerdem hat Waves auch noch den Sidechain modifiziert und FIR-Filter zur Detektor-Begrenzung spendiert.
Der Original-Mode ist der bekannte TG Limiter mit der Zener Diode, welche für ihren aggressiven und dreckigen Sound geschätzt wird. Der Limit-Mode hingegen mach das Knie des Zeners härter und der Modern-Mode erreicht eine nochmals höhere Loudness. Wie genau bleibt Waves uns schuldig.
TG 12414 Filter-Module
Das Filter-Modul rundet den Prozess ab und stellt neben dem Tone/EQ-Modul weitere Klangformungen bereit: Es bietet einen Low Pass (8k, 10k, 12k, 15k, 20k, High) und einen High Pass (Low, 40, 63, 80, 110) sowie einen Presence-Filter mit 0,5k 0,8k 1,2k 1,8k 2,8k 4,2k 6,5k und 10 kHz Einsatz und +/- 10 dB Gain-Hub.
Rein, raus und breiter
Zu den oben genannten Features kommt das permanent sichtbare Output-Modul mit dem TG12416 V.A.L Stereo-Spreader und einigen Monitoring-Funktionen sowie das ebenfalls Postitions-fixe TG12411 Eingangsmodul hinzu. Neben einer Gain-Regelung und 180°-Phase-Switch kennt letzteres u.a. auch die Möglichkeit linken und rechten Kanal um 90° bzw. -90° gegeneinander zu verschieben.
Im modernen Produktionsalltag dürften solche Phasenprobleme eher selten anzutreffen sein – aber es geht hier Waves offensichtlich mehr um den Vibe der Originalität anstatt um tieferen Sinn und praktischen Verstand. Trotzdem ist der Effekt ganz angenehm. Ähnliches gilt für die emulierten Tape-EQs, die genutzt wurden, um von IEC nach NAB und umgedreht zu überspielen. Diese Ergebnisse sind zwar durchaus eher unmusikalisch, was aber nicht heißen soll, dass einmal der Tag kommen wird, wo man dies kreativ einzusetzen vermag.
Der Dingens sagt:
#1 - 29.10.2018 um 08:12 Uhr
Vielleicht auch einfach mal etwas über den Klang schreiben und nicht außschließlich über das subjektiv vermurkste GUI.
Wolfgang Schnermann sagt:
#1.1 - 09.12.2019 um 08:41 Uhr
Sehe ich ganz genau so... Der Test sagt über die Klangqualität gar nix aus; dann lieber das Video von White Sea Studio...
Antwort auf #1 von Der Dingens
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